"Sogar die Sonne muss eine Jacke tragen, wenn sie sich nicht erkälten will."
Aktualisiert am 04. Februar 2019 von Theresa Krause
Diesen Sommer habe ich einen "Urlaub" der besonderen Art gemacht, extralang der Extraklasse: Medical Island hieß das Antiparadies ohne Meerblick, dafür mit Mehrblick. Hoffentlich. Irgendwann.
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Die Pro-Liste war lang, die Contra-Liste länger. Das kurze und das langfristige Denken lieferten sich einen erbarmungslosen Kampf. Ein Freund beendete schließlich das Wortgefecht in meinem Kopf, indem er Heine sprechen ließ und so die Ängste um einen verlorenen Sommer zum Teufel jagte: "Der deutsche Sommer ist nur ein grün angestrichener Winter. Sogar die Sonne muss eine Jacke tragen, wenn sie sich nicht erkälten will."
So beschloss ich kurzerhand, dass K wie Krankenhaus gegen ein K wie Kur einzutauschen. Dem offiziellen Therapieplan setzte ich bereits im Vorfeld einen persönlichen Fluchtplan entgegen. Hallo Sommernachtfilm-Festival, Tschüss graues Ungetüm der Heilung.
In mir schlummert zwar ein gewisser Größenwahn, aber eine Mondfahrt wäre wohl doch ein zu gewagtes Unternehmen gewesen. So fing ich mit den Sternen an. Eine Ebene darunter soll es sich auch nicht schlecht anfühlen. Auf dem Sommernachtfilm-Festival werden den Besuchern die Sterne auf dem goldenen Tablett serviert, im Himmel wie auf Erden - zumindest denjenigen, die die Leinwand als irdisches Element verstehen.
In nur wenigen Tagen verwandelte sich die grüne Oase an der Bleiche in ein Sternenzelt, das jeden Abend aufs Neue einen anderen Stern zum Leuchten brachte.
Klischees und funkelnde Sterne
Das Filmfestival an der Bleiche eröffnete den Kinosommer unter freiem Himmel mit einer Filmpremiere. Ein bisher ungesehenes Werk zur Eröffnung zu zeigen, mag mutig erscheinen, doch die Veranstalter bewiesen ein gutes Auge. Nun gut, ich muss gestehen: Ich bin ein vorurteilsbehaftetes Wesen und stellte mir unter »About a girl« ein Pseudo-Psychiatrie-Feelgood-Movie a la Til Schweiger vor.
Im Fokus: Eine pubertierende 15-Jährige, die in der Luftbahn übers Kuckucksnest schwebt. In einem Punkt sollte ich Recht behalten: Man fühlt sich gut danach. Doch auch wenn der Film hin und wieder Seifenblasen aus Kitsch sprudeln ließ, war das Klischee wider Erwarten zu ertragen. Mehr als das: Es gefiel. Zu blöd sich umzubringen, zu blöd zu essen. Eine gewisse Parallele konnte ich nicht verleugnen. So wurde die leichtschwere Komödie mal mehr mal weniger zum Spiegel meines Selbst, der mich hoffen lässt. Außerdem bin ich Freund – Freund von Klischees und funkelnden Sternen. Mein hochverehrter Gisbert zu Knyphausen pflegt sogar Lieder davon zu singen.
Nur Verrückte sind unverwundbar
Charleen ist 15 und sieht den Mehrwert des Lebens im Ableben: Ihr Poesiealbum zieren tote Tiere, ihre Idole feiern ihren Ruhm im Jenseits. Alles scheint besser, als das Jetzt. Ein Jetzt, in dem zu den größten Sorgen ihrer Freundinnen die Anatomie ihrer Brüste zählen. So folgt sie ihren morbiden Phantasien und bringt sich um. Fast. Zielsicher, jedoch weniger treffsicher, verfehlt sie den Föhn in der Badewanne. Vor den Stromstärken des Wassers kann sie sich zwar unfreiwillig retten, der Familie unter Hochspannung entkommt sie jedoch nicht.
Weitere Fluchtversuche? Zwecklos. Messer, Schere, Föhn – alle möderischen Ecken und Kanten werden kurzerhand entfernt. Das neue alte Zuhause? Eine Gefängnis aus Gummi unter Leitung einer besorgten Kontrollinstanz namens Mama.
Charleen ist zwar kein weiblicher Jack Nicholson, sie fliegt auch nicht übers Kuckucksnest, am Psychiater kommt sie dennoch nicht vorbei. »Also gut, ich verspreche mich nicht umzubringen.« Tonband. Aufnahme. Ende. Die Therapie kann beginnen. Klingt seltsam. Ist aber so. Leben gegen Lebenshilfe: Deal. In meinem Fall: 100 Prozent Essen gegen 100 Prozent Therapie. Kündigungsfrist? Drei Tage. Hätte ich solch einen Vertrag nicht geschlossen, hätte ich ohne Zögern 0 Prozent gegen 0 Prozent eingetauscht – in vielerlei Hinsicht. Im Wartezimmer trifft Charleen auf Linus, den Klassenstreber. Klar, dass der zum Psycho-Doc geht. Charleen dagegen? Wahnsinnig normal. Trotz ihres wahnwitzigen Ritts auf der Föhnwelle fehlplatziert. Auch klar, dass sich Charleen in Linus verliebt.
Filme wie diese brauchen eine Liebesgeschichte. Meint man zumindest. Leider. Doch unabhängig vom geradlinigen Kitsch zeigt sich darin wohl, was ab und zu dem rosaroten Kopf zu entschwinden droht: Jenseits von Interpretationen und Bewertungen lebt (und verliebt) es sich leichter. Ganz vielleicht auch besser. Ganz vielleicht auch weniger zum Schein. Linus ist sonderbar, Charleen ist sonderbar, ein Match voller Funken und Funktionen. Charleen ist der Sprung in die »Tiefe« missglückt, dem Film teilweise leider auch. Dennoch haben drei große W beinahe unbemerkt die offensive Oberflächlichkeit durchdrungen: Wahrheit, Weisheit und Wahnsinn.
Eine Dauerkarte für den Sommer an der Bleiche
Als Abonnent der ersten Stunde hätte ich den gesamten August Tag für Tag unter dem Sternenzelt der phantastischen Bilder verbringen können. Mein Tipp an die Veranstalter: Eine Dauerkarte. Nicht nur Pflegende und Gepflegte der Universitätsklinik Erlangen würden danken.
Das Sommernachtfilm-Festival an der Bleiche hat mir die Flucht vor dem Weiß in Weiß aufregender und abwechslungsreicher gestaltet, als es mir jenseits von Fiktion in der Scheinrealität möglich gewesen wäre. Doch auch gesundet werde ich dem Kino an der Bleiche Sommer für Sommer weiterhin treu bleiben. Herzlichen Glückwunsch, liebes Sommernachtfilm-Festival, zu Eurem ersten Stammgast auf Lebzeiten.
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