Winterblue(s). Picasso, Vuitton, chinesische Prachtweiber
Aktualisiert am 04. Februar 2019 von Peter Budig und Ina Niederlich mit Bildergalerie
Florenz: Ein frühlingswarmer Wintertag, klar und himmel-blau. So beginnt der 30.12., der Tag vor dem Jahreswechsel. Inas Widerstandskraft gegen überteuerten Luxus, die Hymnen eines chinesischen Künstlers auf echte Wuchtbrummen und natürlich Picasso! - das waren die Themen dieses Tages, bevor er in Schneesturm und wilder Rast endet.
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Ein funkelnageneuer Campingplatz
Seit dem Frühjahr hat die Hauptstadt der Toskana wieder einen ganzjährig geöffneten Campingplatz: Nagelneu sind Wege, die Strom- und Wasseranschlüsse und das komfortable Waschhaus des Elite Club Vacanze weit im Süden am Stadtrand . Dieser 30. Dezember ist ein wunderbar sonniger Wintertag (das soll sich noch ändern!). Haben die Florentiner wenigstens in der kalten Jahreszeit ihre schöne Stadt ein wenig für sich? Winterblues in der historischen City? Von wegen: Vor dem "Duomo di Santa Maria del Fiore", mit dem einsamen Turm und der riesigen Kuppel, stehen die Menschen schon am späten Vormittag zweireihig in einer mehr als hundert Meter langen Schlange. Fast drei Millionen Touristen kommen jährlich nach "Firenze". 380.000 Menschen leben in Florenz, und in der Metropolregion darum herum sind es 1,5 Millionen (Nürnberg: knapp 500.000/ 3,5 Millionen/ 1,6 Millionen Übernachtungen).
Bildhübsche Wächter-Burschen
Heute ist Inas Tag. Hier kann sie zeigen, dass sie maßlosen Angeboten widerstehen kann. Und wie nervenstark sie jedem Sturm widersteht. In der Via Degli Strozzi reihen sich alle großen Marken aneinander, alles was schön und schweineteuer ist: Dolce & Gabana, Prada, Louis Vuitton, Armani, Tiffany... Die Läden in den Erdgeschossen florentischer Bauhistorie sehen sich alle sehr gleich: Chrom- und Messing, Glas, edle Holzböden, hohe und bildhübsche Räume, wenige, auserwählte Stücke. Ein "Traum von einem winzigen Lederkleid" von Louis Vuitton - 2999 Euro. Eine türkisblaue Damentasche, die einem halben Hausstand Platz bietet, würde schon für 3800 Euro zum Mitnehmen eingepackt.
Im Eingang dieser Läden warten hübsche junge Männer. Sie schieben Wache, damit Reporterschmarotzer nicht einfach eintreten und ihren Gelüsten fröhnen können: etwa Ina mit der Auslage fotografieren. Fotografieren ist natürlich nicht! Wo kommen wir da hin.
Etwa in der Mitte auf dem kurzen Fußweg zur Ponte Vecchio liegt der Palazzo Strozzi. Ein Ausstellungsjuwel findet hier gerade statt, gut besucht, aber ohne Verzögerungen zu besichtigen: "Picasso und die Spanische Moderne" (noch bis zum 25. Januar), beginnt mit einem der meistgemalten Motive des Spaniers und endet damit: "Maler mit Model". Eine fein kuratierte Ausstellung (etwa 90 Werke), die unter anderem mit der Gegenüberstellung von Picasso und etlichen seiner Lieblingsfreunde (Miro, Dali) und einer Entstehungsgeschichte von "Guernica" (u.a. etliche Pferdeskizzen) Akzente setzt.
Florenz am Ende des Jahres: Der Tourismus holt noch einmal tief Luft und spuckt Besucher zu Tausenden aus, die sich durch die Stadt schieben. Auf der Brücke der heiligen Dreifaltigkeit (Ponte St. Trinita) posiert ein blutjunges Brautpaar aus Asien. Leider sind es Chinesen, keine Japaner. Sie leben in einer Diktatur des Proletariats und reden nicht mit der Presse. Kalte Verachtung! Aber ihre Freunde machen einen riesigen Bohai, um mit ihren teuren (japanischen) Kameras den Tag der Tage festzuhalten. Auf der anderen Straßenseite ist Ina über die Brückenbrüstung geklettert: Ein Foto hoch über dem schlammbraunen Arno, vor der Kulisse einer der berühmtesten Brücken der Welt, das ist es, was sie jedes Risiko eingehen lässt.
Ein geiles fettes Weib auf einem viel zu kleinen Fahrrad
Die Ponte Vecchio selbst ist eine herbe Enttäuschung. Die Juweliersmeile liefert wieder teure Auslagen und große Marken, aber mehr Protz als Stil. Viel Swarowski-ähnliches Gegleiße, ohne einen Schimmer Eleganz. Dafür wartet auf der anderen Flußseite ein geiles Prachtweib. "A chubby Mature" staunt ein amerikanischer Tourist, laut Statistik einer von 700.000 im Jahr, die Florenz unbedingt sehen müssen, bei ihrer "Mega European Tour 2014". Ein lebensgroßes feistes, glückliches Weib, lüstern aufgehockt auf einem viel zu kleinen Fahrrad, eine süße, pralle Bronzefrucht, die der chinesische Künstlers Xu Hongfei (geboren 1969) gestaltet hat. Ist sie Ausdruck ironischer Brechnung nach all dem überteuerten Schmuckrat? Eleganter florentinischer Humor? Wir hoffen es.
Fünf Tage könnte man hier locker Erkundungsmärsche machen, durch die Stadt der Medici, des verkannten Herrn Machiavelli, wo am Straßenrand ein(e Nachbildung des) David von Michelangelos Genie und Libido zeugt. Doch wir, Winterblue(s)-Forscher, müssen weiter. Und wir kriegen noch, was diesem Tag gefehlt hat. Stunden später cruisen wir mit unserem Globebus zwischen Toskana und Umbrien durchs Bergland und kommen unverhofft vom Frühling in den Wintersturm.
Unser wunderbarer wetterfester Globebus
Abenteuerlich - eigentlich sogar mehr als das - ist unsere Fahrt von Florenz ins umbrische Perugia. Anfangs noch freie Autobahnen und trockene Straßen. Dann plötzlich Schneegestöber. Die Straßenverhältnisse werden immer schlechter. In steilen Rechts- und Linkskurven geht es hinauf in die Berge. Kaum ein anderes Fahrzeug begegnet uns. Rechts der Straße trennt uns nur eine windige Leitplanke vom Abgrund. Nahezu 100 Kilometer müssen wir so bewältigen - mit schweißnassen Händen und zittrigen Knien. Dennoch: Der Globebus lässt uns nicht im Stich. Ohne einmal ins Rutschen zu geraten, bringt er uns sicher ans Ziel.
Die 500-Euro-Nacht von Perugia
Geöffnete Campingplätze gibt es in Perugia in dieser Jahreszeit nicht. Vor Beginn der Reise haben wir uns im Internet deshalb einen Wohnmobil-Stellplatz nahe der Altstadt gesucht. Als wir um 1 Uhr nachts dort eintreffen, versperrt uns eine Schranke den Weg. Der gesamte Platz ist belegt. Was also tun?
Etwas ratlos - und inzwischen ziemlich erschöpft und gestresst - fahren wir erstmal weiter durch die Stadt, in der Hoffnung irgendwo einen freien Parkplatz zu aufzutun. In einem Wohngebiet finden wir schließlich eine wilde, offengelassene Wiese, auf der wir unsere Zelte für die Nacht aufschlagen. Am nächsten Tag finden wir im Internet: wildes Campen in Italien kostet bis zu 500 Euro Strafe. Wir sind noch einmal davongekommen!
Es ist der letzte Tag des Jahres. Eis, Schnee, Wind.Kraft für das Neue? Willkommen 2015. Nächste Etappe: Silvester in Perugia.