Der Bayernslam 2014 in Nürnberg und Fürth
Aktualisiert am 04. Februar 2019 von Phillip Harrison
„Ich bin die Queen und du der King“, tosendes Geklatsche, jubelnde Pfiffe. Katja Hofmann, die sich in Durchgang eins noch darüber ausgelassen hat, dass Groupies für weibliche Slammer Mangelware sind, schmetterte nun ihren zweiten Beitrag dem Publikum entgegen. Aber zurück zu den Anfängen: Die geschilderte Szene war nicht etwa ein Soloaufritt der Dame aus Sachsen-Anhalt, sondern der Auftakt zum diesjährigen Bayernslam, der parallel in Nürnberg und Fürth ausgetragen wurde und unter der Moderation von Michael Jakob Slam-Begeisterte für die nächsten beiden Tage einstimmen sollte.
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Mein erster Poetryslam war das. Mein allererster. Und dann nicht etwa ein kleiner. Nein, gleich was ganz Großes. Ich fühlte mich wie ein klitzekleines Licht, wie ein Gazettenschreiberling aus einem klitzekleinen Dorf, der tags zuvor noch über die Wurst des hiesigen Metzgers schwadronierte und nun auf dem Parkett des Bundeskanzleramtes rumstolpert. Aber da musste ich nun durch.
Für den Abend war ich mit einer Bekannten verabredet. Treffpunkt halb acht, vor der Tür des K4. Also wartete ich und rauchte eine nach der anderen. Zug für Zug für Zug für Zug. Bis plötzlich eine große Blondine an mir vorbeilief, neben mir stehen blieb und lächelnd fragte: „Ist das das K4?“, „Ja“, erwiderte ich mit brüchiger Stimme und einem halben Hustenanfall. „Endgut“, kam es dann auch lächelnd zurück. Dicht gefolgt von der Frage, ob ich denn auch zur der Veranstaltung gehöre. „Nein, schreibe nur über die Veranstaltung“, sagte ich nicht ganz ohne Stolz. „Ach so, ich bin die Fee...“ und prompt war sie verschwunden. Erst später wurde mir klar, dass ich mit einer der Halbfinal-Teilnehmer gesprochen hatte. Als die Abendbegleitung da war, gingen wir hoch und holten uns unsere Stempel, setzten uns und warteten.
Wir saßen in der ersten Reihe. Rechts außen in der Nähe der Bar, gegenüber vom DJ-Pult, direkt vor dem Verstärker. Die nächsten zehn Minuten sollte ich meines Lebens nicht mehr froh werden: Reggae dröhnte mir im Kopf und Crossover-Reggae-Musik ließ mein Trommelfell bis zum Äußersten vibrieren. „Ich hole mal was zu trinken“, sagte ich meiner Begleitung und verschwand hinter dem Vorhang. Als ich zurückkam, dimmte sich das Licht und Michael Jakob vom Kulturschockverein betrat in einem hellblauen Anzug mit weißen Hemd und einer blau-weiß karierter Krawatte um den Hals die Bühne.
Nachdem das Organisatorische vom Tisch war, alle Teilnehmer vorgestellt waren, die lebende Staatsflagge von Gymmik abgelöst wurde, dem fränkischen Barden, Kartoonist und Humorist, der mit seiner Gitarre im Anschlag auch prompt ein Lied über süße – leider von Suizid heimgesuchten – Tieren anstimmte, ging es los. Dass außergewöhnlichste Tier würde eine CD gewinnen, hieß es. Die Würfelqualle gewann. Aber Gymmik war noch nicht fertig und trällerte gleich den nächsten Gassenhauer. Über Nürnberg und der Aufforderung lieber kehrt zu machen und Gunzenhausen den Vorzug gegenüber der fränkischen Metropole zu überlassen, verabschiedete sich der Franke unter tosendem Klatschen von der Bühne.
Danach heizte uns Pierre Jarawan ein, der sich in seinem Vortrag den grammatikalischen Ungepflogenheiten widmete. Katja Hofmann die Groupies forderte, Volker Strübing, der in sozialen Netzwerken nicht viel von sich preisgeben möchte, das aber von Facebook und Co. nicht so recht hingenommen wird und der amtierende bayrische Meister Max Kennel. Dann wieder Gymmik, der ein wenig wie das Outro einer richtig guten Platte fungierte.
Nach der Pause das selbe: Jakob auf der Bühne, dann Gymmik, der das Publikum zum Mitsingen animierte. Die Reihenfolge blieb die gleiche. Nur, das fiel mir dann doch auf, war die Leichtigkeit verpufft. Natürlich waren die Texte noch amüsant, aber die Grundeinstellung änderte sich. Sie wurde nicht dunkler, sondern ernster. Man sollte in der zweiten Hälfte zum Nach- und Mitdenken angeregt werden. Neben Tritzen, also traurigen Witzen von Kloß und Spinne – Erfinder Volker Strübing, blieb mir vor allem der offene Brief an angehende und bereits praktizierende Lehrer in Erinnerung. Michael Jakob kritisierte die eingeschränkten Möglichkeiten der Lehrkräfte und all jene, die strikt nach Vorschrift arbeiten. Diejenigen, die sich im begrenzten Mikrokosmus des Klassenzimmers scheuen über den Tellerrand hinaus auch Wissen zu vermitteln, das nicht im Lehrbuch steht. Also Wissen zu teilen, das in keinem Lehrplan steht – über Angst und Not, über Liebe und den Verlust von Geliebten. Das machte Michael Jakob dem Publikum auch eindrucksvoll zu verstehen, in dem er vom Mikrofon Abstand nahm und in das Publikum brüllte.
Der Abend war zu Ende, beide Durchgänge vorbei, die Ehrenrunde aller Teilnehmer gedreht. Mit dem Hinweis, dass noch einige Plätze zu verkaufen wären, entließ uns Michael Jakob in die Nacht.
Die Halbfinalrunden und Qualifizierung für das große Finale
„Wir treffen uns um 18 Uhr vor dem Eingang des K4“, krächzte ich meiner Freundin ins Telefon. Ist das nicht zu spät, erwiderte sie und wartete auf meine Antwort. Nein, folgte. Wie nein, fragte sie verblüfft. Na gut, dann eben halb sechs, pustete ich in die Sprechmuschel. "Ok?" "Ok! Bis dann." Dann imaginäre Küsschen und dann das obligatorische Klicken gefolgt von einem langen Tuten, das Zeichen dafür, dass jemand den Anruf beendet hatte.
Die Halbfinale 1 und 2 fanden in Nürnberg statt, wieder im KunstKulturQuartier. Fürth präsentierte die Qualifikationsrunde für die unter 20-Jährigen und Halbfinale 3. Wir holten uns unsere Stempel und warteten. Als wir endlich in den Saal eintreten durften, schnappten wir uns zwei Plätze in der zweiten Reihe, vorne rechts, weitab des DJ-Pults. „Was zu trinken, Schatz?“, „Ja“, „Ok“, „Radler“, „Ok“. Als ich zurückkam, fing es schon an.
Die Moderation übernahm Katja Hofmann, also nicht nur jene Slammerin, die den Weltrekord im Dauerslammen hält, sondern auch jene, die sich am Vortag noch über zu wenig Groupies beschwerte. Am Bühnenbild wurde nichts verändert. Einzig ein Flipchart mit den Namen der Teilnehmer war neu. „Es gibt einige Regeln für einen Poetryslam“, erklärte Katja Hofmann. „Alle Texte müssen selbst verfasst sein, Requisiten sind nicht erlaubt und jeder Slammer hat nur fünf Minuten Zeit, das Publikum zu überzeugen“. Dann wurde geklatscht und ein Opferlamm auf die Bühne geholt. Das Opferlamm war eine Slammerin, die seit geraumer Zeit nicht mehr aufgetreten ist und sich bereit erklärte dem Publikum zum Fraß vorgeworfen zu werden. Zeitgleich sollte auch die Bewertung getestet werden. Zufällig aus dem Publikum ausgewählte Zuschauern wurden Block samt Stift in die Hand gedrückt. Es galt eine Zahl von 1,0 bis 10,0 aufzuschreiben. Kommazahlen waren erwünscht. Dabei wird die schlechteste und beste Zahl gestrichen und die drei verbleibenden zusammengezählt. Daraus ergibt sich dann quasi der Durchschnittswert, den der jeweilige Interpret erzielt hat. „Hallo, liebe Stille“, fragte das Opferlamm, „gibt es etwas Neues?“. Nein, sagte die Stille und das Opferlamm erwiderte: „Wusste ich es doch“. Geklatsche, Bewertung, Abgang. Bühne frei für die Slammer.
Es ging ans Eingemachte. Interpret für Interpret. Lachkrampf für Lachkrampf. Bedächtigem Klatschen folgte tosender Applaus. Am Ende des ersten Durchgangs standen drei Finalisten fest: Meike Harms, die verrucht über den ungeschützten Wortverkehr in all seinen äußerst anregenden (Satz-)Stellungen referierte. Mani Eder, der zappelnd und wackelnd einen Weihnachtsrap vortrug und Kaleb Erdmann, der vergaß, den YOLO-Mann zu fragen, wer er ist und wie er in seine Wohnung kam.
Halbfinale 2 folgte dem gleichen organisatorischen Prozedere: Der neue Moderator Horst Thieme stellte das Opferlamm vor, das diesmal Katja Hofmann mimte. Probebewertung. Applaus. Abgang. Bühne frei für Durchgang zwei. Dort qualifizierten sich letztendlich Nils Frenzel mit seiner Ode an die Bauarbeiter, die Tag für Tag schuften und echte Kerle sind, quasi die Cowboys des Betongusses. Christian Ritter mit brandheißen Informationen zum im nächsten Jahr erscheinenden Franken-Tatort und Helmut Steierwald, der zwar Emir heißt, sich aber wunderbar wie ein junger Serdar Somuncu über seine Zeit als Schüler ausließ. In Fürth qualifizierten sich in Halbfinale 3 Bumillo, Dominik Erhard und Alexander Burhard sowie in der U20-Division Darryl Kiermeier, Denise und Guanyu Zhao.
Das Große Finale in der Stadthalle Fürth
Leider konnte ich an dem Finale in der Fürther Stadthalle nicht teilnehmen. Wie aber auf Bayernslam 2014 zu entnehmen ist, hat die grandiose Meike Harm haarscharf gegenüber Bumillo gewonnen. So knapp, dass die Streichwertungen wieder miteinbezogen werden mussten. Dritter wurde Christian Ritter. Meike Harms ist nicht nur Siegerin des Bayernslam2014, sondern auch die erste Frau, die diesen Titel gewonnen hat.
Nächstes Jahr wird der Bayernslam in Ingolstadt ausgetragen und wurde symbolisch auf der Bühne den Nachfolgern in Form des Finalmikrofons überreicht.
Fazit
Der Bayernslam hat mir um ehrlich zu sein wirklich gut gefallen. Für meinen ersten Poetryslam im Allgemeinen, eine Erfahrung die ich nicht missen möchte. Zugegeben: Ich habe Poetryslams gemieden, weil ich dachte dort würden sich nur Verkopfte aufhalten und verstaubte Sonette vortragen. Aber wie das nun mal ist im Leben, wurde ich eines besseren belehrt. Der Bayernslam an sich war herausragend. Ich muss noch heute über Mani Eder lachen, der zuckend auf der Bühne steht und rappt oder über Meike Harms ungeschützten Wortverkehr. Einzig und allein gestört hat mich dann doch nur das DJ-Duo, das mit eigenwilliger Reggae-Musik, meine Ohren zum Bluten gebracht hat.