Autobesitz vs Carsharing: Wie sinnvoll ist eine eigene Karre heute noch?
Aktualisiert am 04. Februar 2019 von Tu-Mai Pham-Huu
Seit ich den Führerschein besitze, habe ich Zugang zu einem eigenen Auto: Das sind jetzt fast 18 Jahre. Die ersten Jahre hatte mein Freund ein Auto und seit 2010 nenne ich einen Audi A4 mein Eigen. Doch brauche ich wirklich einen eigenen Wagen? Tut es nicht auch Carsharing? Wie viel fahre ich eigentlich und welchen dieser Wege kann ich auch anderweitig bestreiten? Und was kostet mich mein Auto – neben den offensichtlichen und horrenden Benzinkosten – tatsächlich?
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Wenn man es gewohnt ist, ein Auto zu haben, wird man bequem: Freunde in anderen Städten besuchen, mal schnell zum Sport, zur Arbeit oder in den Supermarkt fahren – alles am besten per Auto, obwohl man auch die Bahn oder das Fahrrad hätte nehmen können. Bis vor kurzem besaß ich nicht einmal ein Fahrrad – und wäre sowieso nie auf die Idee gekommen, länger als 20 Minuten “bei Wind und Wetter” irgendwo hin zu fahren. Täglich zur Arbeit zu radeln, kam mir gar nicht in den Sinn.
Öffentliche Verkehrsmittel vs. Fahrrad vs Auto
Und was ist mit Straßenbahn fahren? Der öffentliche Nahverkehr in meiner Heimatstadt Karlsruhe gehört zu den vorbildlichsten überhaupt. Ich bin es von klein auf gewohnt, im engeren Stadtbezirk immer eine Straßenbahnhaltestelle in Sichtweite zu haben. Die Bahnen fahren im 10-Minuten-Takt und in der Innenstadt, wo viele Stationen von mehreren Bahnen angesteuert werden, kann man fast minütlich in irgendeine Linie steigen. An Radwegen mangelt es erfreulicherweise auch nicht. Dafür ist es durch die derzeitige Baustellensituationen geradezu absurd zeitaufwändig, sich mit dem Auto durch die Innenstadt zu kämpfen.
Wie oft nutze ich das Auto - und wofür?
Als ich vor zwei Jahren in die Stadtmitte zog und nun in 15 Minuten mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren kann, kam ich auf die Idee, das Auto abzustoßen. Ich stellte fest, das es eigentlich größtenteils in der Garage stand und ich einmal die Woche zum Squash fuhr (dahin gibt es keine Straßenbahn und mit Fahrrad ist es mir mit dem ganzen Sportzeug zu umständlich), ab und zu einen Großeinkauf machte oder mein Freund es manchmal nutzte, um zu seiner 20 km entfernten Arbeitsstätte zu fahren, wenn er am Wochenende arbeiten musste und die Straßenbahnfahrzeiten ungünstig früh oder spät lagen.
Gründe gegen ein eigenes Auto
Ich würde ja jetzt gerne sagen, dass ich mich hauptsächlich aus ökologischen Gründen mit dem Gedanken beschäftige, auf Carsharing umzusteigen. Doch obwohl ich mir prinzipiell schon Gedanken um die Umwelt mache, muss ich gestehen, dass der Anstoß für diese Überlegung eher pragmatisch-egoistischer Natur war.
Die Hauptgründe sind:
- das wie schon beschriebene hervorragende öffentliche Verkehrsnetz
- die fast schon ans Groteske grenzende Baustellendichte in der Stadt, die Autofahren zu einem Nervenkrieg macht
- die nicht vorhandenen Parkplätze in meinem Wohnviertel, so dass ich gezwungen bin, für 50 Euro im Monat einen Tiefgaragenplatz anzumieten – wo das Auto dann auch fünf von sieben Tagen steht
- die Tatsache, dass mit dem Rad nicht nur schneller im Büro bin, sondern auch täglich “einfach so” mindestens 30min Bewegung an der frischen Luft habe
- die hervorragenden Einkaufsmöglichkeiten in meinem Wohnviertel, so dass ich eigentlich alle Einkäufe bestens zu Fuß erledigen kann
- der Ärger über anfallende Reparaturen am Auto und der damit verbundene Aufwand, Werkstätten zu recherchieren, Preise zu vergleichen, den Wagen in die Werkstatt zu bringen und abzuholen, in dieser Zeit kein Auto zu haben usw.
- die durch größere Reparaturen ziemlich hohen anfallenden Kosten (z.B. 700 Euro neulich für einen Bremssattel)
Kosten für ein eigenes Auto
Die Fixkosten für meinen Audi A4 betragen im Jahr insgesamt ca. 1.450 Euro (aufgerundet):
- 135 Euro Steuern
- 416 Euro Versicherung
- 49 Euro ADAC Mitgliedschaft
- 154 Euro Haftpflichtversicherung
- ca. 50-60 Euro im Jahr für Reifenwechsel und Lagerung
- 600 Euro Garage
Dazu kommen in den letzten vier Jahren, in denen ich das Auto besitze, ca. 1.000 Euro sonstige Kosten, also aufs Jahr gerechnet durchschnittlich 250 Euro (was noch geht, weil der Audi bisher wenig reparaturanfällig war, das wird ja aber mit steigendem Alter nicht besser):
- ca. 80 Euro alle zwei Jahre für den TÜV
- 700 Euro neuer Bremssattel inklusive Arbeitsstunden
- 200 Euro undichter Schlauch und kaputtes Licht inklusive Arbeitsstunden
Ich muss demnächst neu kaufen:
- Reifen (Allwetterreifen) → noch keine Ahnung, wie viel die kosten
- Im Moment tanke ich im Monat 1-2 Mal voll, das macht zwischen 90-180 Euro. Sagen wir mal, im Schnitt 140 Euro.
Insgesamt würde ich sagen, belaufen sich meine Kosten (ohne Verschleiß und Wertverlust des Autos) auf rund 3.400 Euro im Jahr, macht im Monat rund 280 Euro. Mal sehen, was Carsharing dagegen kostet.
Kosten für Carsharing
Einmalig: Kaution: 300 Euro – Kaution Zugangskarte: 30 Euro - Aufnahmegebühr: 70 Euro
Monatlich: 5 Euro Teilnahmebeitrag - ggf. 2 Euro Teilnahmebeitrag für einen Partner im selben Haushalt
Jährlich: 39 Euro Sicherheitspaket – ggf. 39 Euro Sicherheitspaket für Partner im selben Haushalt
Beispielrechnungen für verschiedene Fahrten
8,10 Euro – Mit einem Kleinwagen einkaufen gehen, insgesamt 20 km fahren, 2h später Wagen abgeben.
19,01 Euro – Mit Mini zum ca. 20km entfernten Arbeitsplatz fahren (ca. 45km insgesamt einberechnet), Auto 8h später wieder abgeben.
17,60 Euro – Mit Kombi Sachen transportieren, ca. 40km fahren, 4h später Wagen wieder abgeben.
177 Euro – Mit Kombi übers WE wegfahren, Freitag 18 Uhr los, Montag 7 Uhr morgens Auto abgeben, insgesamt ca. 800km fahren
505,15 Euro – Mit Kombi 9 Tage wegfahren, Freitag 14 Uhr los, Sonntag 20 Uhr Auto abgeben, ca. 2.000 km fahren.
(Die Preise sind alle auf Basis des Carsharing Anbieters Stadtmobil in Karlsruhe kalkuliert.)
Die große Preisfrage für mich ist hier: Wie oft würde ich welche Fahrten unternehmen und komme ich dann auf die 280 Euro, die ich derzeit monatlich für mein Auto aufwände oder bleibe ich drunter?
Ab wann lohnt sich Carsharing?
Beim Carsharing-Blog gibt es eine gute Rechnung darüber, ab wann sich Carsharing lohnt – anscheinend, wenn man weniger als 20.000 km im Jahr fährt. Für mich stellt sich die Frage aber nicht rein monetär. Der reine Kilometerpreis ist gar nicht mal so wichtig: Natürlich ist es auch eine Frage, wie viel ich pro Kilometer sparen kann, aber wie schon dargestellt, gibt es ja auch noch andere Faktoren, die mich am eigenen Auto immer mehr nerven:
- Parkplatz: Carsharing-Stationen haben immer für alle Fahrzeuge feste Parkplätze. In meinem Stadtteil muss ich entweder eine Garage bezahlen oder drei mal um den Block fahren, bis ich etwas gefunden habe
- Mein Auto ist zu klein, wenn ich etwas Größeres transportieren will
- Reparaturen: Wenn irgendeine Leuchte blinkt, fahre ich meistens trotzdem erst mal eine Weile mit dem kaputten Auto herum und mache mir Sorgen, ob es stehen bleibt. Irgendwann bringe ich es dann in die Werkstatt (wenn ich endlich mal Zeit finde) habe dann in dieser Zeit kein Auto, muss mir Kostenvoranschläge einholen, ärgere mich über die Reparaturkosten, ich muss selber an TÜV, Reifenwechsel etc denken.
Der emotionale Aspekt
Und trotzdem, so irrational es sein mag: Auf der emotionalen Seite fällt es mir irgendwie immer noch ein bisschen schwer, mich an den Gedanken zu gewöhnen, kein eigenes Auto zu besitzen und die – vermeintliche – Freiheit und Flexibilität zu verlieren, jederzeit bei Tag und Nacht in mein Auto zu steigen und irgendwo hinzufahren. “Vermeintlich” sage ich, weil: Wie oft kommt es denn tatsächlich mal vor, dass ich super-spontan irgendwo hinfahre, wo ich NUR mit dem Auto hinkomme? Eben. So gut wie nie.
Aber was ist mit Kind?
Ein weiterer Punkt: Was ist, wenn man ein Kind hat? Geht dann Carsharing immer noch – oder ist es zu stressig, ständig Babyschalen usw. bis zur nächsten Station zu schleppen? Wenn man zu zweit ist, geht es ja noch – da kann dann einer das Auto holen und der andere wartet mit Baby samt Zubehör vor der Haustür. Alleine gestaltet sich das dann doch etwas komplizierter. Andererseits: Wenn man weit weg parken muss, muss man auch mit dem Kinderwagen erst mal zum Auto laufen. Und wenn man kein eigenes Auto hat, das mit Kram vollgestopft werden kann, übt man sich vielleicht auch ein bisschen darin, sich auf die wirklich notwendigen Sachen zu beschränken. Oder einfach mit dem Kind Straßenbahn zu fahren – denn mit der Bahn komme ich, zumindest in Karlsruhe in der Innenstadt, wahrscheinlich viel näher an meine Ziele, als wenn ich versuchen würde, in diesem Chaos einen Parkplatz zu finden. Den Kinderwagen müsste ich ja so oder so ausladen – egal ob Auto oder Bahn. Und in der Bahn hilft einem wenigstens immer jemand.
Was bedeutet das für die Region Nürnberg?
Carsharing ist ein Markt der Zukunft, doch in der Region Nürnberg gibt es kaum Anbieter. In anderen Regionen gehören Carsharing-Fahrzeuge schon lange zum normalen Stadtbild. Ein Angebot wie es Stadtmobil bietet, wäre in Nürnberg, Fürth oder Erlangen sehr willkommen. Ein Nachfrage bei Stadtmobil ob und wann Stadtmobil in die Region kommt wurde leider nur sehr unzureichend mit dem Satz "Nürnberg ist viel zu weit weg, um uns dafür ernsthaft zu interessieren" beantwortet.
Welche Erfahrungen habt ihr mit Carsharinganbietern gemacht? Wir würden gerne wissen, was Ihr erlebt habt.