Das Streben nach Lust - Impressionen von der Erotikmesse Nürnberg 2014
Aktualisiert am 04. Februar 2019 von Sham Jaff mit Bildergalerie
Inspiriert von Abenteuern des Vice Magazins und auch von den rechtschreibungstechnisch fragwürdigen Werbeplakaten in der U-Bahn machen wir einen kleinen Ausflug zur Erotikmesse in Nürnberg. Aus Mangel an Geld für vernünftiges LSD gehen wir nüchtern auf unsere erotische Exkursion. Eindrücke eines pornösen Tages.
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Den Eingang zur Messe der Erotik teilen wir uns mit tausenden begeisterten Fans von Mario Barth. Der Komiker ist zeitgleich in der Nürnberger Arena - mit seiner eigenen Show, versteht sich. Zuerst verwirrt vom großen Menschenandrang, später die Barth-Plakate sehend verstehend kopfnickend, versuchen wir uns an der Interpretation der Gleichzeitigkeit dieser Events. So abwegig ist es irgendwie gar nicht. Denn die Erotikmesse ist mindestens genauso sexistisch wie Gender-Ignorant Mario Barth.
Doch spulen wir zunächst vor zu dem Gesamteindruck nach dem Besuch, denn da muss ich erst einmal das Wort Erotik googeln. In meinem Kopf schwirren die verschiedensten Definitionen von Erotik wild durcheinander. Da ist diese unschuldige Online-Erotik, wenn ich auf Facebook dein Profil suchen will, und schon ein Buchstabe ausreicht, damit du ganz oben in der Suchleiste aufpoppst. Die pikante Erotik der Perspektivenschärfe, wenn sich auch aus einem verschwommenen Bild ein scharfer Gedanke bildet. Die Erotik, die in den Parfümwerbungen funktioniert, bei mir aber nicht mehr bewirkt, als einen angenehmen Körperduft. Die sterile Erotik, wie sie von Journalisten herunter gebrochen wird, wenn Pornhub mal wieder seine Nutzer analysiert und zeigt, dass Deutsche eher Suchbegriffe wie ‚Massage‘ (Platz Neun) eingeben, als ‚anal‘ (Platz zwölf). Und natürlich die mangelnde Erotik von Rot-Rot-Grün.
Erotik ist überall und doch nirgendwo. Ist Erotik Porno? Ist Nacktheit allein schon erotisch? Oder sind es gerade Geheimnisse, die erotische Gedanken erzeugen? Ist Erotik vielleicht sogar nur eine Fata Morgana, die verschwindet, wenn man sie berühren will? Erotik - ein Spiel, bei dem tatsächlich noch der Weg das Ziel ist?
Während ich in der Tiefe meiner Gedanken versinke, sind die Veranstalter der Erotikmesse gerade dabei, die Choreographie der Striptease-Show für eine der leicht bekleideten Damen zu konzipieren. Rückblickend stelle ich mir den Dialog in etwa so vor: „Ja, ja, und nachdem sie sich ganz ausgezogen und sich mit der Peitsche so richtig ausgepeitscht hat, zieht sie einen rosa Pyjama an und nimmt einen riesengroßen Teddybär in die Hand, legt ihren Daumen in den Mund und wir lassen die Sandmann-Musik im Hintergrund spielen, während sie einschläft.“ – „Oh ja, das ist sooo erotisch!“
Und genauso läuft die Striptease-Show dann vor unseren Augen ab. Konzeption und Umsetzung perfekt ausgeführt - und dennoch fehlte es am gewissen Extra. Nach der nackten, beinespreizenden Begrüßung machen wir uns auf die Suche nach der Erotik und, nun ja, erkundigen das Umfeld. Von Schokogenitalien über zarte Dessous, strenges Leder, Lack, Dildos bis zu Vibratoren in allen Größen, Formen und Farben oder Silikon-geladenen DVDs aus aller Welt ist Vieles geboten. Doch wo ist die Erotik?
Sexuell ansprechende nackte Körper auf den Bühnen erinnern an alte griechische Statuen: plastisch, steril und proportional fernab von jeder Realität. Wir verzeihen es, weil wir uns einig sind: „Wer will da oben denn schon eine Fette sehen?“ Fettleibige, Erotik suchende Frauen und Männer sind zwar auch unter den Besuchern - passende Unterwäsche werden sie hier aber definitiv nicht finden.
Das Publikum zu beobachten ist das eigentliche Highlight dieser Veranstaltung. Alt, jung, dick, dünn, schön, hässlich, weiblich, männlich und irgendetwas dazwischen - alle sind sie gekommen. Die größte Gruppe stellen aber eindeutig Männer. Männer über 50, manche von ihnen mit einer grauhaarigen und faszinierten Frau vom Typ "Birgit" an der Hand. Junge Pärchen verschiedener Orientierungen, alle wollen sie: die Lust. Die Lust aber will niemanden. Vielleicht ist die Lust auch einfach nicht in Stimmung. Verstehen wir aber. Wer hat da schon Lust - bei einer Erotikmesse, die die Erotik missversteht
Dschungelkönigin Melanie Müller, das Highlight der diesjährigen Erotikmesse, fühlt sich auch missverstanden. Im hautengen Urwald-Kleidchen, mit Wasserstoff-Mähne und perfektem Perlweiß-Lächeln kommt sie auf die zuvor von zwei blonden Stripperinnen beim gegenseitigen Rubbeln befeuchtete Showbühne. „Ich möchte hier auch gerne darauf aufmerksam machen, dass ich vor allem eine Geschäftsfrau bin. Ich habe einen eigenen Erotikshop“, versucht sie ihrem Interviewer mehrmals zu verstehen zu geben. Doch der ist nicht an ihrem Geschäftssinn interessiert. Alles was der durchschnittliche begabte Moderator will, ist ihre zwei einzigen auf dem Markt erhältlichen Erotikfilme kostenlos an das gaffende Publikum loszuwerden. Ein paar Fragen über ihre heldenhaften Erfahrungen im Dschungelcamp später ist sie dann auch schon wieder weg.
Fremdscham und Mitleid überwältigen uns. Vielleicht ist die Erotikmesse auch einfach die falsche Arena für eine ambitionierte Frau wie Melanie Müller. Und für Erotik. Und für Lust. Wer Erotik sucht, sollte sie lieber woanders suchen.
Bilder von der Erotikmesse 2014 Nürnberg
Fotos von Natalie Sevostianov und Hanzh Chang