Der Flow des Lebens
Aktualisiert am 04. Februar 2019 von Paul Kurtenbach und Valerija Levin
Ein zweinhalbstündiges Programm mit sieben ausgewählten Outdoor- und Abenteuerfilmen. Von Menschen auf Expedition, Menschen auf Reisen und Menschen, die nach dem ganz besonderen Gefühl suchen.
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Wenn es um den Flow geht, so hat Bergsteiger und Mountainbiker, Harald Philipp, eine ganz plausible Erklärung parat. Für ihn ist der Flow, ein Gefühl, das sich an der Grenze zwischen Komfortzone und Angst befindet. Der Rand einer hauchdünnen Seifenblase. Dieses Gefühl ist atemberaubend, es macht das Unmögliche möglich, aber es ist auch flüchtig und Menschen, wie Harald Philipp, suchen es immer wieder aufs Neue. Bei der diesjährigen European Outdoor Festival Tour („E.O.F.T. 16/17“) wurde ein Programm aus sieben spannenden Filmen zusammengestellt, die von einer Expedition zum höchsten Berg Südostasiens bis hin zu einer verrückten Schiffsfahrt in der Arktis reichen.
Doch wer steckt eigentlich hinter den Kulissen des Festivals? Wir wollen es wissen und begeben uns auf die Suche nach den Organisatoren. Den Teamleiter, Marc Berthold, finden wir im Foyer der Konzerthalle in Bamberg, wo das E.O.F.T. 16/17 einen Tag lang seine Zelte aufschlägt. Marc steht an einem Tisch, über dem das Wort „Tickets“ prangt und versucht mehreren hundert Zuschauern, die noch nach einem Ticket suchen, weiterzuhelfen. Obwohl die Atmosphäre ziemlich stressig scheint, macht er einen ruhigen Eindruck und nimmt sich auch noch Zeit für ein kleines Interview:
Marc, was genau ist deine Tätigkeit beim Festival und bist du auf der ganzen Tour mit dabei oder nur in Bamberg?
Marc: Heute bin ich Teamleiter und koordiniere die Abendkasse und das Programm. Bamberg ist nicht mein einziger Halt, ich war schon in Italien mit dabei und werde später auch in Hamburg und Freiburg mithelfen. Da wir insgesamt 320 Vorstellungen haben, wechseln die Teams natürlich ständig. Es sind immer 4-7 Personen, die eine Vorstellung organisieren.
Das Festival entstand vor rund fünfzehn Jahren, wie hat es sich in der Zwischenzeit entwickelt?
Marc: Ich bin zwar nicht von Anfang an dabei, aber ich weiß, dass es nicht immer so groß war. Man hat mit kleineren Vorstellungen angefangen und es waren anfangs nicht so viele. Mit der Zeit ist es dann gewachsen, hat sich über mehrere Länder ausgebreitet. Italien zum Beispiel ist schon seit sechs Jahren mit am Start.
Ihr seid in vielen Städten Deutschlands unterwegs. In welchen hat das E.O.F.T. am meisten Zudrang? Gehören Alpinregionen dazu?
Marc: Die Agentur selber befindet sich in München, da haben wir auch sehr großen Zudrang und mitunter die meisten Vorstellungen. Generell gibt es den meisten Zudrang in Großstädten, doch Bamberg überrascht mich immer wieder aufs Neue. Hier gab es letztes Jahr ca. 1200 Besucher an nur einem Tag. In den Alpinregionen gibt es dann weniger Festivalgänger, obwohl man wahrscheinlich dort genau das Gegenteil erwarten würde. Da gibt es eben mehr Angebot an solchen Filmen bzw. Festivals.
Eine Extremsportart ausüben. Wär das auch etwas für dich?
Marc: Ich bin begeistert von Extremsportarten. Selber gehe ich gerne Mountainbike-Fahren oder Wake-Boarden, doch das geht weniger in die extreme Richtung.
Ihr habt sieben Filme ins Programm genommen. Was muss ein Film alles mitbringen, um es in die Auswahl zu schaffen?
Marc: Er muss qualitativ hochwertig sein und eine Story haben. Private Go-Pro-Videos werden es wohl weniger schaffen. Die ausgewählten Filme müssen echte Menschen, Geschichten und Emotionen beinhalten, wir wollen unsere Zuschauer mit den Bildern berühren.
So lautet auch der Slogan des Festivals: „Keine Schauspieler, kein Skript, keine Special Effects“ – alle Filme sind echt und zeigen reale Emotionen. Die Temperatur im Saal scheint zu sinken, als „Down to Nothing“ auf dem Screen läuft: Hilaree O'Neill kämpft sich gerade mit ihrem Team in luftiger Höhe zu einer Bergspitze, die noch sehr weit scheint. Hinter ihnen der dichte Dschungel Myanmars, vor ihnen der unbezwingbare eisige Riese. Sie schlagen sich von einem Camp zum anderen, geben bis zum letzten Moment nicht auf, doch kurz vor dem Ziel bezwingt sie die Natur. Die Expedition scheitert und kaum einer kann die Tränen zurückhalten. Der Berg hat gewonnen. Auch das Wasser ist Teil des Programms. Der Film „Locked In“ zeigt vier Kajaker, die dem Beriman River folgen bis zu seiner Mündung im Salomonensee.
Sie wollen dreizehn gefährliche Schluchten befahren. Tagelang schleppen sie sich durch den Dschungel, müssen an glitschigen Canyon-Wänden hochklettern und das auch noch mit den schweren Kajaks im Gepäck. Während der langen Zeit im Nassen, beginnen ihre Füße aufzuweichen und sie haben oft mit großen Schmerzen zu kämpfen und mit der Frage, ob sie es wohl schaffen werden.
“La Liste“ beginnt mit einem Gespräch von Freerider, Jérémie Heitz, und dem wohl bekanntesten Ski- und Snowboard-Filmer, Guido Perrini. Sie sitzen vor einer Almhütte und Jérémie zeigt Fotos von 15 Berg-Riesen, alle über Viertausend Meter hoch, deren Steilwände er abfahren will. Das Ganze klingt nach einer Wunschliste für Weihnachten und der Junge selbst nach einem Größenwahnsinnigen. Doch das ist bitterer Ernst und die darauffolgenden Aufnahmen beweisen es.
Seine Skier schlittern durch den unberührten Schnee einer Bergspitze, er zeichnet Kurven und wirbelt Lawinen auf. Manchmal ist er im Film nur noch ein kleiner schwarzer Punkt, der wie ein Pixel im weißen Schnee sein Muster in den Berg schneidet. Wir sind überwältigt. Von der Naturgewalt und den Menschen, die keine Angst vor ihr haben und es immer wieder aufs Neue mit ihr aufnehmen.
Am Ende des Programms gibt es noch ein Live-Gewinnspiel auf der Bühne. Zu verschenken gibt es u.a. einen Rucksack, DVDs und einen mobilen Airbag, der live an einer Person ausprobiert wird.
Somit sind wir nun auch für den Fall einer Lawine perfekt ausgestattet und begeben uns ins Foyer, das voll von großen, entzückten, abenteuerlustigen Augen ist.
Ein Trio mit Lockenkopf erregt unsere Aufmerksamkeit. Paul, Silvie und Victor sind drei von 1200 möglichen Zuschauern des Festivals in Bamberg. Sie gehen gern bouldern und sind begeistert von der E.O.F.T. Wir unterhalten uns mit ihnen über die Filme und den Eindruck, den sie auf uns hinterlassen haben.
„Solche Filme regen in einem das Gefühl, man sollte sein normales Alltags-Leben cutten und die Welt erkunden. Am besten auf Skiern oder mit einem Boot“, sagt Victor und lächelt übers ganze Gesicht.
Wir können da nur zustimmen.