Nürnberg - die Karrierestadt
Aktualisiert am 04. Februar 2019 von Helmut Wunschel
Ein Glück, daß ich als Tramper in Nürnberg hängen geblieben bin. In der Jugendherberge auf der Kaiserburg hatte ich eine Begegnung, die mir einen Traum fürs Leben bescherte. Diesmal war es keine Herzensangelegenheit, die sonst gern in Träumen verklärt wird - nein, es war eine knallharte existentielle Angelegenheit, die mein bis dato trübsinniges Leben fundamental veränderte.
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Fredy Jacobeit hieß der junge Mann, den ich dort kennenlernte. Auch er war kein Musterschüler, das verbindet. Mathe und Physik ungenügend, in praktischen Dingen höchst ungeschickt. Was sollte man da noch werden? Dennoch, bei den Krisengesprächen im lauschigen Burggarten verstanden wir uns prächtig. Beide hatten wir in unserem jungen Leben fast nur den Boden geküßt, und sehnten uns nun endlich nach ein bisschen Höhenflug. Irgendwie! Da wir uns lieber mit Literatur beschäftigten als mit langweiligen Schulaufsätzen, kam für uns Phantasten eigentlich nur der Beruf des Schriftstellers infrage, denn dazu braucht man keine Noten und keine Prüfungen. Nur ein bißchen Genie. Das darf man sich in der Not doch wohl noch einbilden!
Vielleicht gelingt sogar einmal ein Roman, der schon manchen Gestrandeten aus seinen traurigen Tiefen in ungeahnte Höhen katapultierte. Ihr da oben, wir da unten. Warum soll es nicht auch einmal anders herum gehen? Er stand auf Walser, ich auf Enzensberger, der auch einmal ganz klein in Nürnberg angefangen hat. Heute ist er so etwas wie der Gottvater der deutschen Literatur.
Just in dieser Phase, als wir uns nicht genierten, nach den Sternen zu greifen, hatte mein neuer Freund eine Idee, die mich von der ersten Minute an faszinierte. Er sagte: "Wir könnten uns bei der kleinsten Zeitung von Nürnberg bewerben, die sowieso stiefmütterlich behandelt wird. Solche nehmen uns vielleicht noch am ehesten." Journalist zu werden, das wär natürlich was! Allen könnte mans mal zeigen, die einen ewig unterschätzt haben: den Lehrern, den Eltern, der abgesprungenen Freundin. Am schwersten war
s, einen Termin beim Chefredakteur zu bekommen. Endlich, beim dritten Anlauf hat`s geklappt. Wie aufregend! Natürlich war wieder einmal alles ganz anders als man dachte. Der Chefredakteur war ein hochgebildeter Herr, ein Salzburger, der nicht nach Zeugnissen und Examen fragte. Fast ein wenig charmant sagte er: "Meine Herren, legen Sie mir einen selbst verfaßten Artikel vor, dann können wir weitersehen." Mit Plagiaten hatte er schon seine Erfahrungen gemacht. Nach sechs Wochen höchster Anspannung, in denen wir fast schon aufgegeben hatten, kam der sehnsüchtig erwartete Brief: "Einstellungstest bestanden." Die Freude war natürlich riesengroß.
zum BILD "Chef-Kolumnist"
Der Karriere-Vertrag enthielt ein Redaktionsvolontariat, das nach zwei Jahren mit dem stolzen Titel eines Redakteurs belohnt wurde. Welch ein Karrieresprung! Gestern noch als abgebrannter Tramper am Bahnhof unterwegs, kurze Zeit später schon als "Pressevertreter" beim Bundesbahn-Präsidenten. Von den hohen Herren wußte ja keiner, dass ich nur ein kleiner Volontär war, dem soeben erst der Aufstieg in eine andere Klasse gelungen ist. Ähnlich spektakulär war der erste Auftritt als Gerichtsreporter, wo man beinahe wie ein Anwalt auf der reservierten Pressebank Platz nehmen konnte. Bei anderen Terminen ging es mit dem Herrn Oberbürgermeister im Dienstmercedes zur neuen Messe, zum Hafen oder zu einem neuen Stadtteil, um dort nach dem Rechten zu sehen. Es tut gut, endlich `mal ein Siegertyp zu sein, der man bisher nie gewesen ist.
Das Volontariat war kaum vorüber, schon meldeten sich andere Zeitungshäuser, darunter auch ein Massenblatt, das täglich von 12 Millionen Menschen gelesen wird. Ich sagte zu und verbrachte ein paar aufregende Jahre bei den Bilderstürmern in Hamburg und Frankfurt. Der "Chef-Kolumnist" dieser Zeitung mit den großen Buchstaben fing übrigens auch als Volontär bei der NZ in Nürnberg an. Selbst die Lebensgefährtin des Bundespräsidenten, die alle Welt als First Lady kennt, hatte ihren Start als Journalistin in Nürnberg. Nach dem Gastspiel bei BILD folgte für mich ein langes, ertragreiches Reporterleben, das ich ausschließlich der Einstiegschance in der Frankenmetropole zu verdanken habe. Da gibt es immer noch welche, die etwas geringschätzig auf Nürnberg herabschauen, da der Vergleich mit der Boomstadt München nur allzu leicht den Blick verstellt.
Aber die Welt besteht auch noch aus anderen Werten als aus Fußball und BMW. Ich glaube nicht, dass meine Journalisten-Karriere und die vieler anderer etwa bei der Süddeutschen möglich gewesen wäre, wo man als Bewerber ohne Doktortitel a priori schon so gut wie chancenlos ist. Demnächst könnte sogar der Ministerpräsident ein Kandidat aus Nürnberg sein. Wir drücken ihm die Daumen, auch wenn unsere Sympathien einer anderen Partei gehören sollten.