Was, wenn die Toten gar nicht ruhen wollen?
Aktualisiert am 04. Februar 2019 von Daniel Bendl mit Bildergalerie
Körperwelten starten in Nürnberg und die Kritik an der Wanderausstellung Körperwelten wird auch hier fortgesetzt. Ich begrüße diese kritische Auseinandersetzung und ja sogar die Ausstellungsmacher rufen zur Diskussion auf. Würde ich mich doch andererseits sehr wundern, wenn dieses Thema keine Meinungskontraste hervorrufen würde.
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Pressekonferenzen finden im Normalfall im Vorfeld von Ausstellungseröffnungen statt. So können Fotografen in aller Ruhe Fotos anfertigen ohne das ihnen jemand vor die Linse läuft und Journalisten ungestört ihre Fragen stellen. Bei den Körperwelten in Nürnberg verlief dies vergangene Woche anders. Zur offiziellen Eröffnung von Körperwelten "Eine Herzenssache" war nicht nur jeder Interessierte aus der Region Nürnberg, sondern auch Journalisten und Körperspender eingeladen. Das Interessante an der Zusammenlegung von Ausstellungseröffnung und Pressekonferenz: Die Reaktionen der Besucher ließen sich beobachten. Handelte es sich doch im Gegensatz zur Tutanchamun-Schau bei den Körperwelten nicht um Repliken sondern um echte tote Körper.
"zu sich selbst kommen"
Dabei sind die vom Anatom und Wissenschaftler Gunther von Hagens in seinem Heidelberger Institut per Plastination aufbereiteten Körper nur eine Teil der Ausstellung. Jedoch der Teil, der am meisten für Furore sorgt. Zeigt er doch das, was die Menschheit seit Jahrhunderten zugleich fasziniert und schockiert. Die Verbildlichung des Todes. Das der Tod zum Leben dazu gehört, ist keine Plattitüde. In Religion und Humanismus ist man sich dessen bewusst. In den Körperwelten wird man sich dessen bewusst. Mit Abscheu hat dies nichts zu tun. In den Gesichtern der Besucher zeigte sich statt Ekel Neugier, Staunen und eine Art "zu sich selbst kommen". Dies zeigten meine Beobachtungen und auch in den Gesprächen mit einigen der Anwesenden bestätigte sich die Wahrnehmung. Einzig die Stufen der Entwicklung eines Fötus sorgte bei Wenigen für Irritationen.
Ein anderer ganz wesentlicher Ausstellungsbereich sind jedoch die plastinierten Organe, hauchdünnen Körperquerschnitte und Körperteile wie beispielsweise Gehirn mit Rückenmark. Anhand dieser Präparate zeigen die Ausstellungsmacher anschaulich und unverblümt wie der menschliche Körper funktioniert. Es gelingt ihnen auch Krankheitsbilder ohne den erhobenen Zeigefinger dem interessierten Besucher näher zu bringen. Ein Achtungszeichen braucht es auch gar nicht, wenn man die weißen Metastasen in der Leber sieht, einen Blick in eine Krebsgalle wirft oder einfach nur eine gesunde Lunge neben der dunkel gefärbten eines Rauchers liegt. Mir ist bewusst, dass das beim Lesen ein mindestens ungutes Gefühl hervorrufen kann. Aus eigener Erfahrung kann ich konstatieren, dass die Betrachtung vor Ort sehr rational ist.
Missachtet die Körperwelten Ausstellung die Totenruhe?
Kirchliche Vertreter kritisieren, dass mit Körperwelten die Totenruhe missachtet wird. Nach dem Gespräch mit einem aus Thüringen stammenden Ehepaares stellte ich mir die Frage: Was, wenn die Toten gar nicht ruhen wollen? Wobei es sogar noch zu konkretisieren ist: Ist Totenruhe nicht die Entscheidung des Einzelnen? Das inzwischen in Nürnberg lebende Ehepaar sieht es jedenfalls so. Bereits vor zehn Jahren haben sich beide der Entscheidung ihres Sohnes angeschlossen und schlossen mit dem Institut in Heidelberg eine Willensbekundung (mit Möglichkeit jederzeit rückgängig zu machen) zur Körperspende. Nach ihrem Ableben werden sie ihren Körper in den Dienst der Wissenschaft stellen. Die Trauer der Hinterbliebenen ist ihrer Ansicht nach nicht an der Existenz eines Grabes festzumachen. Trägt man den Verstorbenen im Herzen, so braucht es keinen Friedhofbesuch.
Um das Herz geht es auch in den Körperwelten Nürnberg. Die Schau zeigt, was unser Herz im Stande ist zu leisten und was man ihm durch ungesunde Lebensweise abverlangt. Sehr interessant fand ich die großformatigen Fotos von Familien aus unterschiedlichsten Ländern, die sich jeweils in ihrer Küche mit den Lebensmitteln für eine Woche zeigen. Hier braucht es nicht viel Erklärung um Rückschlüsse aus den präsentierten Waren und deren gesundheitliche Auswirkungen zu ziehen.
Körperwelten Nürnberg – detailliert ohne zu wissenschaftlich zu werden
Für die Beschreibungstafeln und Infowände in den Körperwelten sollte man sich in jedem Fall Zeit nehmen. Hier wird detailliert (ohne zu wissenschaftlich zu werden) auf die Exponate und die großen Zusammenhänge eingegangen. Wer möchte kann sich am Eingang einen Audio-Führer geben lassen und erfährt so noch mehr.
Anatomie-Schauen gibt es nicht erst seit Körperwelten. Sie als grenzwertig zu bezeichnen ist trotzdem legitim. Ja, man darf zwiegespalten sein. Denn einfach war die ethische Diskussion über Leben und Tod noch nie. Ich persönlich erwarte mir auch von den Ausstellungsmachern keinen ethischen Diskurs. Wenn aus einem Besuch jedoch ein solcher Austausch entsteht, wurde doch auch schon etwas erreicht. Was ich nicht gesehen habe ist Sensationslust. Von Sensation, Pietätlosigkeit, Abartigkeit ist meinem Eindruck nach nur im Rahmen einiger Medienberichterstattungen zu lesen oder von scharfen Kritikern, welche Körperwelten teils gar nicht gesehen haben.
Auszug aus der Körperwelten Pressekonferenz Nürnberg
Es bleibt am Ende jedem selbst überlassen, ob man den Körperwelten einen Besuch abstattet. Gezwungen wird niemand (bis auf die in meinen Augen verzichtbare Werbeaktion am Nürnberger Hauptmarkt) und es muss in einem demokratischen Land gestattet sein, sich ohne Anfeindungen eine solch beeindruckende Ausstellung ansehen zu dürfen. Immerhin bietet sie Gelegenheit ein Stück von uns selbst neu kennen zu lernen.