Auf Literatour durch Fürth - die „italienische Schwester Nürnbergs“
Aktualisiert am 04. Februar 2019 von Susanne Berg
Der Gründer des weltberühmten Ullstein-Verlages stammt aus Fürth, den Fürther Schriftsteller Jakob Wassermann nannte Thomas Mann „einen der bedeutendsten Romanciers seiner Zeit“. Ein hochinteressanter Literatur-Rundgang durch das Innenstadtviertel nahe des Rathauses.
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Aus Widersprüchen entstehen die besten Geschichten. An belebenden Widersprüchen bzw. Gegensätzen reich war der literarische Nachmittag in Fürth durchaus. Da musste – natürlich – die Hassliebe zum benachbarten Nürnberg herhalten, auch das Wetter schwankte zwischen bedeckt, regnerisch und Sonnenschein. Vor allem aber hatten und haben bis heute die Fürther Schriftstellerinnen und Schriftsteller so ihre liebe Not mit einer gefühlten Kleingeisterei oder düsteren Lebensumständen.
Doch glücklicherweise ist es einigen der Schriftsteller durchaus möglich, durch Perspektivwechsel eine deutlich günstigere, fast euphorische Sichtweise auf das gehasstliebte Fürth einzunehmen. So wähnte doch einer Fürth sogar als die schönere Schwester mit geradezu italienischer Lebensart. Aber dazu später mehr.
Der Geschichtsverein Fürth lud zu seinem Rundgang durch die Straßenzüge, aus denen berühmte LiteratInnen entstammten oder in denen weithin beachtete Literatur entstanden war. Stadtheimatpflegerin Karin Jungkunz führte durch Straßen und Literatur, Schauspielerin Michaela Domes lieh den Texten von beispielsweise Jakob Wassermann oder Ewald Arenz ihre Stimme.
Das Geburtshaus von Leopold Ullstein
Wir starten unseren Rundgang am Geburtshaus von Leopold Ullstein in der Mohrenstraße 2. Eine Tafel über der Tür des Hauses informiert uns, dass er 1826 hier geboren wurde. Die Familie hieß ursprünglich Ullmann. Da sie jüdischen Ursprungs war und Juden durch das Naziregime gezwungen wurden, auch in ihrem Namen ihre Herkunft zu zeigen, änderte die Familie ihren Namen in Ullstein, erklärt Karin Jungkunz.
Der Vater führte eine Papiergroßhandlung und Leopold eröffnete 1855 in Berlin seine eigene. 1877 schließlich gründete er den weltberühmten Ullstein-Verlag. Bald kaufte er die „Berliner Illustrierte Zeitung“ und entwickelte sie zu einer der wichtigsten Wochenzeitungen.
Bis heute kennt man unter diesem Namen einen Zeitungs- und einen Buchverlag, wenn auch nun zu Axel Springer bzw. dem schwedischen Medienunternehmen Bonnier gehörend. Karin Jungkunz empfiehlt wärmstens, Sten Nadolnys umfangreichen „Ullsteinroman“ zu lesen, wenn man gut unterhalten in die Familiengeschichte eintauchen möchte.
Ein Tunnel zwischen Europa und Amerika
Die nächste Station in der Hallemannstraße hat keine Infotafel am Haus. Die Besitzer wollten das nicht, erfahren wir. Ihren Namen hat die Straße von Dr. Isaac Hallemann, der 1929 das dort befindliche jüdische Waisenhaus leitete. In dieser Straße wurde 1879 der teilweise umstrittene Schriftsteller Bernhard Kellermann geboren. Kellermann verbrachte Kindheit und Jugend in Nürnberg und Ansbach. Nach umfangreichen Reisen durch Europa, Asien und Amerika lässt er sich 1906 bei München und Paris, 1909 in Berlin nieder. Er verfasst lyrische Romane und Reisebücher.
Bereits seine Werke „Yester und Li“ sowie „Ingeborg“ sind mit über 130 Auflagen sehr erfolgreich. Ein Riesenerfolg wird jedoch sein Hauptwerk „Der Tunnel“. Es erscheint 1913, wird in 25 Sprachen übersetzt und erreicht eine Gesamtauflage von mehr als einer Million Exemplaren. Zur Handlung gehören ein gigantischer Tunnelbau zwischen Europa und Amerika, Verbrechen und Weltwirtschaftskrise. Das Werk wurde u.a. mit Gustav Gründgens verfilmt.
Ganz neu hat nun auch der ebenfalls in Fürth lebende Autor Ewald Arenz ein Musical daraus gemacht. Am 16. Oktober hat es am Theater Fürth Premiere. Kellermann blieb trotz Verbrennung eines seiner Werke in Berlin und engagierte sich ab 1945 wieder für Kultur. Er wurde Abgeordneter der Volkskammer der DDR und bekam 1949 den Nationalpreis für Literatur für seinen Roman „Totentanz“.
In Westdeutschland hat man ihn jedoch zunehmend vergessen. 1951 starb Kellermann bei Potsdam. Ganz aktuell hat der Cadolzburger Ars Vivendi Verlag „Der Tunnel“ neu herausgebracht.
Zu den berühmtesten Söhnen der Stadt gehört der deutsch-jüdische Schriftsteller Jakob Wassermann, den Thomas Mann für einen der bedeutendsten Romanciers seiner Zeit gehalten hat, wie uns Karin Jungkunz informiert.
Jakob Wassermann - Die Manuskripte am Leib
Wir stehen nun in Wassermanns Geburtshaus in der Blumenstraße. Plötzlich kommt ein junges Paar aus der Tür heraus; die Frau grüßt freundlich und fragt: „Der Wassermann, stimmt’s“. Hier verleiht Michaela Domes den bedrückenden Schilderungen Wassermanns ihre Stimme, als er von der Enge und Düsternis seiner Kinderjahre erzählt. Der Vater ist ein wenig erfolgreicher Kaufmann, fünfmal muss die Familie innerhalb Fürths umziehen.
Nur wenige Schritte entfernt schauen wir auf das Haus, in dem im ersten Stock die Mutter von Jakob Wassermann 31jährig gestorben war. Da war Jakob gerade einmal neun Jahre alt. Von diesem Verlust hatte er sich offenbar ein Leben lang nicht erholt. Sie war die Einzige, die ihn wirklich verstand. Schon früh schreibt der kleine Jakob erste Texte, doch die Stiefmutter kann mit solcherlei Tätigkeit nichts anfangen.
Regelmäßig vernichtet sie seine Texte. Noch als Erwachsener trug er seine Manuskripte unter dem Hemd am Leib. In seinem Roman „Die Juden von Zirndorf“ von 1897 beschreibt er u.a. die jüdische Gemeinde im 19. Jahrhundert. Im Roman „Gänsemännchen“ widmet sich Wassermann Nürnberg. Michaela Domes erzählt, wie sehr sie fasziniert war von seinen detailreichen Beschreibungen der Kaiserstadt.
An der Mathildenstraße 23 werden wir auf die Herkunft des ehemaligen US-Außenministers Henry Kissinger aufmerksam gemacht, der hier im 1. Stock als Heinz Alfred Kissinger gemeinsam mit seinem um ein Jahr jüngeren Bruder Walter aufwuchs. Über das Aufwachsen und Leben der Brüder gestaltete die Fürther Journalistin Evi Kurz 2006 den Dokumentarfilm „Die Kissinger-Saga“, die 2007 auch als Buch herauskam.
Dem nächsten Schriftsteller, Roberto Schopflocher, hat Kurz ebenfalls eine Filmbiografie gewidmet. Als Robert Schopflocher 1923 in Fürth geboren, lebt er seit 1937 in Argentinien. Er verfasst Romane und Erzählungen sowohl in spanischer als auch deutscher Sprache. 2008 hat er für sein deutschsprachiges Werk den Jakob-Wassermann-Literaturpreis der Stadt Fürth erhalten. Immer mal wieder, so erzählt Karin Jungkunz, ist er für Lesungen in der Heimat.
„Mit Sonne gepflastert“
„Mit Sonne gepflastert“ empfand der in Nürnberg aufgewachsene Hermann Kesten in seinen Erzählungen von 1962 die Nachbarstadt. Obwohl Kesten nach Berlin, später durch halb Europa zog und schließlich in New York lebte, blieb er seiner fränkischen Heimat verbunden. Bekannt war er auch dafür, viele vom NS-Regime verfolgte Künstler zu unterstützen und schriftstellerische Talente nach Kräften zu fördern. Er war es auch, der 1995 das Preisgeld für die erste Verleihung des Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises stiftete.
Wir befinden uns in der Marienstraße, entdecken den malerischen Treppenabgang Mariensteig und hören den Hinweis, dass es hier früher noch Gärten gegeben hat. Eine gute Gelegenheit, zu den italienischen Momenten Fürths zu kommen. Denn der deutsche Schriftsteller und Literaturkritiker Michael Zeller reist viel und verfasste auch einen Essay über seine „poetischen Begegnungen“ mit dem „fränkischen Jerusalem“ Fürth.
In diesem malt er das Bild von einem geradezu südländischen Flair. Ähnlich begeistert äußert sich der Nürnberger (!) Schriftsteller Godehard Schramm, der von Fürth als der „kleineren und schöneren Schwester Nürnbergs“ spricht.
Gibt es einen passenderen Straßennamen für einen Schriftsteller als die Theaterstraße? In dieser hatte bis vor wenigen Jahren der schreibfleißige Ewald Arenz seine „Schreibstube“, wie uns Karin Jungkunz aufklärt. Arenz wurde in Nürnberg geboren und lebt in Fürth. Er entstammt einer Künstlerfamilie. Seine Schwester Sigrun Arenz ist ebenfalls Schriftstellerin, sein Bruder Helwig Schauspieler.
Ewald Arenz verfasst nicht nur zahlreiche Romane, Erzählungen und Theaterstücke, sondern moderiert auch eine Kultursendung beim Bayerischen Rundfunk. Der sagt von ihm, er sei einer der wenigen Bestseller-Autoren, die Franken zu bieten habe. Michaela Domes spricht nun wieder, was Arenz über die süffisanten Kommentare Nürnberger Freunde über ein Leben in Fürth ablassen. „Gut, darf ja jeder nach seiner Fasson selig werden…“ Für Fürth jedoch kehrte die deutsch-russische Schriftstellerin Irina Liebmann wiederum Nürnberg gerne den Rücken: In ihrem Reisebuch „Letzten Sommer in Deutschland“ schreibt sie 1997, dass das Schönste von Nürnberg die U-Bahn nach Fürth sei.
Und tatsächlich, als ich das Parkhaus in der Mathildenstraße verlasse und nach Hause fahren will, fällt mein Blick auf den „Campanile“ von Fürth – den Rathausturm – und all die vielen schlendernden Menschen zwischen Geschäften und Cafés und für einen Moment lang könnte ich auch in Udine oder Florenz sein…
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