Ein Hoch auf das Kunsthandwerk: Nürnbergs Gewerbemuseum

Aktualisiert am 04. Februar 2019 von und Sebastian Gulden
Gewerbemuseum

Neubarocke Pracht: Die Haupttreppe des Gewerbemuseums, 2013. Foto: © Boris Leuthold (cc)

Funktionale, schöne und erschwingliche Alltagsgegenstände für jederfrau und jedermann – um 1900 war diese Forderung unter Produktgestaltern in aller Munde. In Nürnberg widmete man dem „guten“ Design ein ganzes Museum.

Produktdesign ist keine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Schon immer befassten sich Künstler, Handwerker und Kunsttheoretiker damit, wie man Alltagsgegenstände schön, dauerhaft und funktional zugleich herstellen kann. Als im 19. Jahrhundert die Industrialisierung ihre Blüten trieb und den Markt mit billigen und oft ziemlich geschmacklosen Wegwerfprodukten überschwemmte, rührte die britische Arts-&-Crafts-Bewegung die Werbetrommel für eine dringend nötige Reform, hin zu mehr Qualität und Schönheit.

In Nürnberg, wo das Handwerk seit jeher goldenen Boden hatte, fanden die Forderungen der Kunstgewerbe-Reformer einflussreiche Befürworter. 1662 war hier die älteste Kunstakademie im deutschen Sprachraum gegründet worden, die bis heute besteht. 1869 eröffneten der Architekt Theodor von Kramer, der Bleistiftfabrikant Lothar von Faber und der Erste Bürgermeister Otto Stromer von Reichenbach das Bayerische Gewerbemuseum. In diesem sollte das Beste und das Schlechteste aus der Welt des Produktdesigns ausgestellt werden. Die Sammlung sollte nicht nur den Künstlern und Handwerkern zur Anregung (und Abschreckung) dienen, sondern auch den Bürgerinnen und Bürgern die Fähigkeit vermitteln, persönlichen Kunstgeschmack zu entwickeln. Aufgegangen ist dieser gut gemeinte Plan nur teilweise, und noch heute beweist manch wirr zusammengewürfelte Wohnzimmereinrichtung, mit der die Bewohner sich insgeheim unglücklich fühlen, dass in Sachen „Geschmacksbildung“ noch viel zu tun ist.

Das Gewerbemuseum vom Marientorgraben aus gesehen, aufgenommen zwischen 1905 und 1920 und 2016.

Das Gewerbemuseum vom Marientorgraben aus gesehen, 1905/1920 und 2016. Fotos: © Verlag Wilhelm Hoffmann (1905/1920) – Sebastian Gulden (2016) (cc)

1892 bis 1897 schuf Theodor von Kramer am Marientorgraben in der Lorenzer Altstadt für das Museum einen stadtbildprägenden Neubau. Obwohl der Zweite Weltkrieg die Dachlandschaft des Prachtbaus zerstört hat, steht man noch heute ehrfürchtig vor dem „Palast des guten Geschmacks“. Die üppigen Formen, die Kramer für seinen Entwurf wählte, erinnern an die berühmten Barockschlösser Frankens wie Pommersfelden oder Veitshöchheim. Drinnen zeugt das weitgehend im Original erhaltene Treppenhaus mit Marmorstufen und Balustraden von der einstigen Pracht der Innenräume. Die ausgestellten Werke und die Räume, die sie umgaben, sollten ein stimmungsvolles Ganzes bilden – eine Erlebniswelt, in die die Besucherinnen und Besucher eintauchen konnten.

Das prächtige Treppenhaus des Gewerbemuseums, 2013.

Das prächtige Treppenhaus des Gewerbemuseums, 2013. Foto: © Boris Leuthold (cc)

Wer hier in unseren Tagen nach gutem Produktdesign sucht, wird nur noch in der kleinen Ausstellung im Treppenhaus fündig, wo Repliken historischer wissenschaftlicher Instrumente Nürnberger Fertigung präsentiert werden. Die weitgehend erneuerten Räume drumherum belegt heute unter anderem das Bildungszentrum der Stadt Nürnberg. 2017 soll das bayerische Gesundheitsministerium hier einziehen. Die Bestände des Bayerischen Gewerbemuseums und seine umfangreiche Bibliothek befinden sich seit dem Zweiten Weltkrieg im Germanischen Nationalmuseum. Die Trägerin des früheren Gewerbemuseums besteht als Landesgewerbeanstalt Bayern (LGA) bis heute fort, beschäftigt sich nun aber vor allem mit der technischen Prüfung von Bauwerken und Anlagen.

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