Ödnis statt Palast: Der Beginn der Regensburger Straße

Aktualisiert am 04. Februar 2019 von und Sebastian Gulden und Stefan Schwach
Das Haus Regensburger Straße 2

Die Dachlandschaft des Hauses Regensburger Straße 2. Einen Telefonanschluss gab es schon, wie der Mast links beweist. Foto: © anonym (cc)

Wer heute vom Marientunnel in die Regensburger Straße einbiegt, blickt auf den staubigen Fuhrpark eines Autohandels. Wohl niemand ahnt, dass hier einst ein Palast stand.

Na gut, „Palast“ mag etwas großspurig klingen, doch von außen machte das Stirnhaus zwischen Regensburger, Köhn- und Scheurlstraße in Glockenhof ordentlich was her! Mit seinen mächtigen, reich gegliederten Fassaden prägte die dreiflügelige Anlage den Auftakt zu einer der längsten und wichtigsten Verkehrsadern Nürnbergs.

Da mutet es kurios an, dass das Bauwerk keineswegs ein Mietshaus für betuchte Großbürger war. Tatsächlich lebten darin Beamte der königlich-bayerischen Staatseisenbahnen mit ihren Familien. Auf jedem Stockwerk befanden sich zwei großzügige Vierzimmerwohnungen. Eine Treppenhaus auf kreisrundem Grundriss, dass sich im Winkel zwischen den drei Gebäudeflügeln befand, verband die Etagen. Der Hausmeister musste im dunklen Souterrain wohnen.

Planer des Anwesens war das Hochbau-Bureau der Generaldirektion der Staatseisenbahnen mit Sitz in München. Dies mag erklären, weshalb man – von der Wahl des Sandsteins als Baumaterial abgesehen – kaum Rücksicht auf die Nürnberger Architekturtradition nahm. Stattdessen errichtete die Bahn ein Bauwerk im klassizistischen Stil, das so auch in Augsburg, Landshut oder Hof stehen könnte.

Das Grundstück Regensburger Straße 2, zwischen 1905 und 1912 und 2016

Das Grundstück Regensburger Straße 2, 1905/1912 und 2016. Fotos: © anonym (1905/1912) – Boris Leuthold (2016) (cc)

Die Bauarbeiten begannen 1893; 1895 konnten die ersten Familien ihr neues Heim beziehen. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Haus Regensburger Straße 2 beschädigt und musste mit einem Notdach versehen werden. 1951 wurden der Nordgiebel und Teile des Abschlussgesimses entfernt, da sie auf den Gehweg zu stürzen drohten. Unfassbar: Obwohl eine Instandsetzung offenbar möglich war, gab die Deutsche Bundesbahn das stadtbildprägende Haus dem Verfall preis. Nachdem es seit Kriegsende unbewohnt vor sich hingerottet war, waren die Fassaden 1975 so marode, dass nicht einmal die Gerüste für den Abbruch daran befestigt werden konnten. Zerstört hat man das Haus trotzdem, aufgrund des Verfalls vermutlich mit immensem Geldaufwand.

Seit 2015 laufen Planungen für einen Neubau auf dem Grundstück. Ein Investor will hier knapp 140 Wohnungen für Studentinnen und Studenten errichten. Es bleibt zu hoffen, dass das Projekt die tiefe städtebauliche Wunde an dieser Stelle in würdiger Weise schließen wird.

Was uns das Bild noch erzählt

Apropos Studenten: Es war ein Student namens Gustav Lang – er hat sein Zimmer im Hochparterre markiert –, der die Karte mit der Ansicht des Hauses 1912 an Fräulein Dora Körner sandte, um sie zu einer romantischen Bootsfahrt einzuladen. Warum Gustav lieber fünf Pfennige für eine Briefmarke opferte, anstatt die Karte persönlich bei Dora einzuwerfen, die nur zehn Gehminuten entfernt an der Neubleiche wohnte? Wir wissen es nicht, und leider auch nicht, ob es was wurde mit der Bootsfahrt und der zarten, jungen Liebe:

„Liebes Fräulein Dora! Ich erlaube mir, Sie sowie Frl. Emma für nächsten Sonntag nachmittags 3 Uhr bei ganz schönem Wetter zum Kahnfahren auf dem Dutzendteich einzuladen. Ich werde Eisenbeiß mitteilen, auch zu kommen, ebenso Herrn Schwarzer. In der Hoffnung, daß Sie u. Frl. Emma auch einverstanden sind, grüßt Sie und werte Angehörige bestens Ihr Couleurherr Gustav Lang“

Andere Vorher-Nachher-Bildfolgen von Stadtbild im Wandel

Fotogener Dauerbrenner: Die „Sutte“ des Heilig-Geist-Spitals

Wintertraum aus Schnee und Sandstein: Das Haus Spittlertorgraben 35

Noblesse aus zwei Epochen: Das Anwesen Marientorgraben 9

Blog abonnieren
'Nürnberg und so' Blogfeed abonnieren

Zusätzlich zu dem Podcast stellt 'Nürnberg und so' auch immer wieder begleitende Geschichten und Informationen aus der Metropolregion Nürnberg vor.

Blog-Artikel als RSS Feed abonnieren

Foodtrucks & Street Food
Finde mit Craftplaces Foodtrucks und Street Food

Logo Craftplaces - mobile Unternehmen wie Foodtrucks und Street Food finden

Die besten Foodtrucks und Street Food in deiner Stadt suchen, denn mobile Unternehmen sind immer und überall für dich da. Craftplaces zeigt dir wo und wann sie unterwegs sind.

Du willst nichts verpassen?
Anmeldung E-Mail Newsletter 'Nürnberg und so'

Anmeldung zum E-Mail Newsletter

Sätze für die Ewigkeit
Podcast Nürnberg und so
Nürnberg, eine Stadt, die von Nackenschlägen nicht verschont geblieben ist.
Ulrich Maly in Sendung No. 20
Am Montag ist man tot. Ein gutes Gefühl.
Svetlana Quindt in Sendung No. 21
Wenn jemand mit der Bundeskanzlerin angibt sage ich, schaut euch mal meine Gästeliste an
Wolfgang Kießling in Sendung No. 11
Letzte Podcast Sendungen
Nürnberg und so

Jörg Korinek / Podcast-Sendung No. 32

Veröffentlicht am 05.05.2015

Den geborenen Göppinger lockte ein Praktikum in die Frankenmetropole. Dem Weg zum Informatik-Studium gingen einige bundesweite Schulaufenthalte voraus, bei denen er Orientierung gewann und diverse…

zur Sendung No. 32

Roland Rosenbauer / Podcast-Sendung No. 31

Veröffentlicht am 11.02.2015

Aus Cadolzburg kommend, finanzierte er sich mit dem "Ruf der Unendlichkeit" oder der "Rache des Knochenmannes" seine Schulzeit. Trotz BWL Studium landete er schließlich beim Jugendfunk des…

zur Sendung No. 31

Aktuelle Magazin-Artikel
Nürnberg und so

Zehn Fragen an Startup Craftplaces aus Nürnberg

Veröffentlicht am 10.02.2019

Mit der Technologie des Startups Craftplaces finden Millionen Street Food Kunden Foodtrucks. Das junge Technologie-Unternehmen strebt an, das in 5 Jahren alle Foodtrucks in Europa und den USA mit…

weiterlesen

Fotogener Dauerbrenner: Die „Sutte“ des Heilig-Geist-Spitals

Veröffentlicht am 28.12.2018

In den letzten Wochen wurde sie wieder zehntausendfach geknipst: Die malerische Westfront des Heilig-Geist-Spitals. Sie ist nicht nur eines der beliebtesten Fotomotive Alt-Nürnbergs, sondern hat…

weiterlesen

Interview zum Afrika Film

Veröffentlicht am 18.12.2018

Eigentlich war das alles ja gar nicht so geplant gewesen – das mit dem so lange bleiben, das mit dem Alleinsein und dem Weg zu sich selbst. Doch die Frage ist, ob man in diesem Leben so etwas…

weiterlesen

Wintertraum aus Schnee und Sandstein: Das Haus Spittlertorgraben 35

Veröffentlicht am 14.12.2018

Bis zum Zweiten Weltkrieg waren prächtige Vorstadthäuser mit Sandsteinfassaden und Vorgärten in Nürnberg ein vertrauter Anblick. Sie vermittelten weltstädtisches Flair, städtebauliche…

weiterlesen