Ein Prosit auf der Gasse: Die Wirtschaft „zum Stabius“
Aktualisiert am 04. Februar 2019 von Sebastian Gulden
Eckkneipen gab es auch vor 100 Jahren in Nürnberg en masse. Bei manchen bekam man den kühlen Gerstensaft gleich aus dem Fenster auf den Gehsteig gereicht – so auch in der Wirtschaft „zum Stabius“ im Rennweg.
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Was Johannes Stabius, Humanist und Historiograf der Renaissance, wohl dazu gesagt hätte, dass in „seiner“ Straße in Nürnberg Bier aus dem Fenster verkauft wird? Vermutlich hätte er mit den Schultern gezuckt, denn was einigen Zeitgenossen heute als prollig erscheinen mag, war vor 500 Jahren noch gang und gäbe. Und auch 1918, als Josef Liegl die Eckkneipe „zum Stabius“ übernahm, kamen die Menschen aus der Nachbarschaft gerne vorbei, um sich dort ihr Bier (zum Mitnehmen oder zum sofortigen Genuss) direkt am Fenster zu bestellen – „Gassenschenke“ nannte man das. An der Fassade wies eine große aufgemalte Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger, wie man sie aus Zeitungsannoncen der Jahrhundertwende kennt, den Weg.
Die Liegls arbeiteten nicht nur in dem Haus an der Ecke Stabiusstraße und Feldgasse, sondern lebten auch dort, und zwar im Erdgeschoss gleich neben der Gaststube. Küche und Toiletten benutzten sie einfach mit. Neu war das Gebäude bei ihrem Einzug nicht mehr: Der Bauunternehmer Xaver Schenk, dem auch die angrenzenden Häuer gehörten, hatte es 1889 bis 1890 nach Entwürfen von Architekt Albin Kupfer erbauen lassen. Damit gehört die Stabiusstraße 1 zu den frühen städtischen Mietshäusern im Stadtteil Rennweg, dessen westlicher Teil 1865 nach Nürnberg eingemeindet worden war. 1899 bis 1900 ließ Liegls Vorgänger, der Gastwirt Johann Peuppus, das Haus um ein weiteres Geschoss aufstocken, wobei sich Architekt Leonhard Bürger eng an die spätklassizistische Gestaltung des Bestandes anlehnte.
Der Standard der Wohnungen im Inneren war für die Entstehungszeit ordentlich: In den Obergeschossen und unter der Mansarde befanden sie je zwei Dreizimmerwohnungen mit eigenen Toiletten. Witzig, aber für die Zeit der Jahrhundertwende nicht ungewöhnlich: Die Zimmer der jeweils nördlichen Wohneinheit grenzten direkt an den Geschossflur an, sodass die Mieter der südlichen Wohnung quasi durch den Wohnbereich der Nachbarn gehen mussten, um ins Treppenhaus zu gelangen.
Unser historisches Bild präsentiert ein schönes und nützliches Detail, das heute weitgehend aus dem Stadtbild verschwunden ist: die Holzbrettchen-Jalousien an den Fenstern, die man sich bei den tropischen Temperaturen im Hochsommer auch heute noch wünschen würde. Um 1900 waren sie Standard bei städtischen Mietshäusern, selbst bei den einfacheren. Heute kostet das (Wieder-)Anbringen der Lamellen und der Schutzblende am Fenstersturz („Schabracke“ genannt) ein Vermögen, zumindest, wenn das Ganze optisch was hermachen soll.
Wie so erfreulich oft in Nürnberg hat sich die Gaststättentradition im Haus Stabiusstraße 1 bis in unsere Tage erhalten: Heute lädt hier „Kathi’s Küche“ zum Schmausen ein. Wer genau hinsieht, erkennt hinter den nüchternen Fassaden die Grundstrukturen des alten Hauses. Die reiche Dekoration und die Dachaufbauten jedoch sind nach den beträchtlichen Schäden, die das Eckhaus im Zweiten Weltkrieg erlitten hat, nicht wieder angebracht worden, und auch die Klinkermauern und Sandsteinoberflächen liegen nun unter Putz.
Im Rahmen der Möglichkeiten bemühte man sich beim Wiederaufbau, dem Haus ein wenig gestalterische Frische zu verleihen: Die Fenster erhielten weiße Faschen, das Erdgeschoss versah man mit einem Mosaik aus farbigen Fliesen. So steht die frühere Restauration „zum Stabius“ als Beispiel für das Bemühen der Wiederaufbauzeit, das im Krieg zerstörte in den pragmatischen Formen der 1950er Jahre wiederzubeleben. Ob dieser Versuch gelungen ist, mag jeder für sich entscheiden. Die klassizistische Prunkfassade von einst ist Geschichte und wird es wohl bleiben.
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