Unendliche Geschichte oder Happy End?: Das Volksbad am Plärrer
Aktualisiert am 04. Februar 2019 von Sebastian Gulden
Seit Jahrzehnten liegt das Nürnberger Volksbad im Dornröschenschlaf. Nun nähren Stadt und Freistaat nicht zum ersten Mal Hoffnungen auf eine Wiedergeburt der Jugendstilperle, die heuer ihren 105. Geburtstag feiert.
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Jede Stadt hat ihre Traditionen. Nürnberg hat gleich mehrere, den Christkindlesmarkt zum Beispiel. Und das Thema „Volksbad“. Seit dessen Schließung 1994 vergeht kaum ein Jahr, in dem nicht ein neues oder altes Nutzungskonzept, eine Finanzierungszusage oder -absage durch die Gazetten geistert. Diesen September, termingerecht zur herandrohenden Landtagswahl, hat die bayerische Staatsregierung zugesagt, die Sanierung des altehrwürdigen Bades mit 18 Millionen Euro zu fördern. Was daraus nach der Wahl wird? Wir werden sehen.
Mit der Verlässlichkeit eines Schweizer Uhrwerks krakeelen in der Debatte um die Zukunft des Bades ein paar Übereifrige, man solle das „alte Graffl“ doch gleich ganz wegreißen und dort lieber „bezahlbaren Wohnraum“ schaffen. Nun ja, wer hier wohnen will, der müsste schon eine stählerne Lunge und ein äußerst schlechtes Gehör haben. Am Plärrer ging schon lange vor der massenhaften Verbreitung des Automobiles hinsichtlich Lärm- und Geruchsbelästigung ordentlich die Post ab: Die erste Eisenbahnfahrt auf dem europäischen Festland startete 1835 an der Stelle, wo sich heute das Plärrerhochhaus erhebt. Und dort, wo in unseren Tagen das Volksbad steht, entstand 1847 Bayerns erstes Gaswerk, das in erster Linie Nürnbergs Straßenlaternen mit aus Steinkohle gewonnenem Leuchtgas versorgte.
Am Ende des 19. Jahrhunderts war die Stadt derart gewachsen, dass das Gaswerk an seine Kapazitätsgrenze stieß. Dumm nur, dass sich auch rund um das Betriebsgelände die Bebauung mittlerweile geschlossen hatte. Ein Ausbau des Werkes war damit passé, auch und nicht zuletzt aus Sicherheitsgründen. Nachdem 1904 die neue städtische Gasanstalt in Sandreuth ans Netz gegangen war, gingen auf dem Areal am Plärrer die Lichter aus – eine Industriebrache mitten in der Stadt.
Doch das blieb nicht lange so: Um 1900 drängte die Nürnberger der Wunsch nach einer modernen zentralen Badeanstalt, die die Reihe der kleineren Stadtteilbäder – etwa am Geiersberg in der Sebalder Altstadt, in der Frauenholzstraße in St. Johannis oder an der Schweiggerstraße in Glockenhof – ergänzen sollte. Andere Städte in Bayern und im Reich hatten’s vorgemacht, darunter München (1901), Augsburg (1903) und Darmstadt (1909). Die neuen „Volksbäder“ waren nicht nur bittere Notwendigkeit in Zeiten, da die überwältigende Zahl der Stadtbewohner kein Badezimmer im Haus, geschweige denn in der Wohnung hatte. Sie waren auch Sinnbilder einer neuen Hygiene- und Körperkultur. Schwimmen, Baden und Saunieren war mehr denn je Teil der Freizeitgestaltung geworden, zumindest für jene, die es sich leisten konnten.
Der städtische Bauamtsleiter Karl Weber und Ingenieur Friedrich Küfner verstanden es meisterhaft, aus dem Zweckbau des Volksbades architektonisch und städtebaulich einen wahren „Tempel der Körperkultur“ zu machen: Durch die L-förmige Anordnung und Höhenstaffelung der Baumassen an der Rothenburger Straße entstand eine malerische Bautengruppe mit Fassaden aus Sandstein, die einen großzügigen Vorplatz mit dem Hauptportal einfassen. Der neue Wasser- und Uhrturm, der den nötigen Druck zum Betrieb der Wasserleitungen bereitstellte, bereicherte das Ensemble am Plärrer und die Nürnberger Stadtsilhouette um eine weitere Dominante. Nach dem Abbruch der Gasometer und der Betriebsbauten der Gasanstalt begannen 1910 die Bauarbeiten.
Bei der Vollendung 1913 empfing die Besucher des Nürnberger Volksbades eine Eingangshalle, so mondän wie die Lobby eines Luxushotels, mit Treppen aus Marmor, Stuck-Ornamenten, Maskarons und kunstvollen Kunstschmiedegittern. In den drei gewölbten Schwimmhallen, auch sie mit Reliefs und edlen Materialien reich ausgestattet, planschten Frauen und Männer ganz züchtig nach Geschlechtern getrennt. Eine eigene Sektion mit Dusch- und Wannenbädern sowie ein Restaurant und eine finnische Sauna nebst holzgetäfeltem Ruheraum rundeten das Badeparadies ab.
Im Zweiten Weltkrieg richteten Fliegerbomben große Schäden an dem Bauwerk an: Sie durchschlugen Dächer und Gewölbe der Schwimmhallen, das Obergeschoss des Wasserturms brannte aus und stürzte mitsamt Turmhelm in sich zusammen. Obwohl das zerstörte Gebäude schon 1946 wieder Badegäste empfangen konnte, zog sich der Wiederaufbau bis 1959 hin. Leider blieb es dabei nicht bei bloßer Instandsetzung und Modernisierung. Auch bedeutende Teile der Jugendstilausstattung wie die Gestaltung des Gewölbes in der Kassenhalle kamen dabei unter die Räder. Der Wasserturm musste sich mit einem Notdach begnügen. Die Bronzefigur des griechischen Meeresgottes Triton in der Männerschwimmhalle I, ein Teilabguss des heute im Stadtpark aufgestellten Neptunbrunnens (der selbst ein Abguss ist!), verbannte man in den 1960er Jahren als Freiplastik ans südöstliche Ende des Wöhrder Talübergangs. Dafür fliegen in der Frauenschwimmhalle nun Möwen durch die Lüfte und sausen Robben und Pinguine durch die Meere: Sie zieren nämlich als Reliefs in der flinken Linienführung der Wirtschaftswunderzeit die wiederaufgebaute Empore.
Auf der Nostalgiewelle der Zeit schwimmend steckte die Stadt 1987 nochmals eine Menge Geld in die Verschönerung des Bades mit dem Ziel, die verlorenen Teile der Jugendstilausstattung durch Nachbauten zu ersetzen. Mit Blick auf das, was dann kam, muss dies heute als letztes Aufbäumen gegen das Ende erscheinen: Gerade einmal sieben Jahre später musste das Volksbad wegen zu geringer Besucherzahlen seine Pforten schließen. Von da ab gammelte der Prachtbau vor sich hin. Die Sehnsucht nach dem Badetempel am Plärrer aber blieb in der Bevölkerung stets wach, auch dank des unermüdlichen Einsatzes treuer Freunde, die den unter Denkmalschutz stehenden Prachtbau erhalten wollten. Bei Sonderführungen, die seltene Einblicke in die alten Hallen ermöglichen, steht das Publikum jedes Mal Schlange.
Nun bleibt zu hoffen, dass die Tradition „Volksbad-Debatte“ nach einem knappen Vierteljahrhundert endlich ihr glückliches Ende findet. München, Augsburg und Darmstadt jedenfalls haben ihren Bädern durch feinfühlige Restaurierung, behutsame Modernisierung und gutes Marketing neues Leben eingehaucht, andernorts haben alternative Nutzungen in den alten Schwimmhallen Einzug gehalten. Es bleibt spannend.
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