Wöhrd: Die Stadt in der Stadt

Aktualisiert am 04. Februar 2019 von und Sebastian Gulden und Stefan Schwach
Der Wöhrder Markt

Markttreiben im Zentrum von Wöhrd, 1905. Foto: © Leo Mader (cc)

Unter Nürnbergs Stadtteilen hat und hatte Wöhrd stets eine Sonderstellung: Es besaß eine eigene Befestigung, einen eigenen Markt und ein Wir-Gefühl, das nur wenige andere Viertel für sich beanspruchen können.

Die große Reichsstadt Nürnberg ging nicht immer pfleglich mit ihrer kleinen Schwester im Osten, dem Marktflecken Wöhrd, um: 1388 und 1552 brannten ihre Truppen den Ort aus strategischen Gründen nieder. 1427 verleibten sich die Nürnberger die Ansiedlung gänzlich ein. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde Wöhrd kurzzeitig eine selbständige Gebietskörperschaft, bis Nürnberg den Markt 1818 erneut eingemeindete. Durch einen Ring von Straßen und die angrenzende, nahezu lückenlose Bebauung mit einigen wenigen Toren, die dem Verlauf der alten Ortsbefestigung folgten, blieb Wöhrd stets etwas von den benachbarten Vororten abgegrenzt und behielt sich so seine städtebauliche Eigenständigkeit und eine eigene Identität.

Die Wöhrder Hauptstraße an der Kreuzung Wassertorstraße, 1905 und 2016

Die Wöhrder Hauptstraße an der Kreuzung Wassertorstraße, 1905 und 2016. Fotos: © Leo Mader (1905) – Boris Leuthold (2016) (cc)

Ausdruck des Lokalstolzes dieser „Stadt in der Stadt“ war der Wöhrder Markt, der allwöchentlich auf dem Platz vor der Bartholomäuskirche an der Kreuzung der Wöhrder Hauptstraße und der Wassertorstraße stattfand. Leo Mader verewigte ihn 1905 sogar auf einer Ansichtskarte. Die Szenerie für die Marktszene bilden die niedrigen, meist verputzten Wohnhäuser von Alt-Wöhrd. Im Hintergrund ragt ein Bote des Industriezeitalters, der Schornstein der Eisengießerei und Maschinenfabrik Earnshaw & Comp., in den Vormittagshimmel.

Taubengasse 2 – ein typisches Vorstadthaus, aufgenommen vor 1943.

Taubengasse 2 – ein typisches Vorstadthaus, aufgenommen vor 1943. Foto: © anonym (cc)

Dann kam der 11. August 1943. Kurz nach Mitternacht ging das alte Wöhrd im Bombenhagel unter. 585 Menschen fanden in den brennenden Häusern und Gassen den Tod, viele verzweifelte Bewohner, die von dem Angriff im Schlaf überrascht worden waren, flohen vor dem Feuersturm durchs Wöhrder Tal an die Pegnitz. Bei Kriegsende lag in Wöhrd kaum mehr ein Stein auf dem anderen. Die Pfarrkirche war beinahe dem Erdboden gleich. Der Wiederaufbau berücksichtigte das historische Netz der Straßen, Gassen und Plätze, wenn auch nur zum Teil. Um ausreichend Wohnraum zu schaffen, wurden viele Grundstücke zusammengelegt, die Häuser aufgestockt. Neben Gebäuden verschwanden ganze Gassen von der Stadtkarte. Sie wurden zugunsten des Automobilverkehrs mit anderen Straßen zusammengelegt. Die Tauben- und die Metzgergasse etwa opferte man für den „autogerechten“ Durchstich zwischen Wöhrder Haupt- und Wollentorstraße.

Heute, da der Straßenverkehr dank Verkehrsberuhigung einen Bogen um den Wöhrder Ortskern macht, ist auch von der Geschäftigkeit auf Maders Fotografie nur noch wenig zu spüren. Den Wöhrder Wochenmarkt gibt es schon lange nicht mehr. Viele Läden mussten in den letzten Jahren schließen. Weiteres Ungemach droht für die baulichen Zeugnisse des Wiederaufbaus: Immer öfter wird die feingliedrige Architektur der 1950er und 1960er Jahre durch neue Kunststofffenster und -haustüren beeinträchtigt; Kunst am Bau, die einst Symbol für den Anbruch einer besseren, friedlichen Zukunft war, verschwindet unter Fassadendämmung. Mag vieles vom alten Wöhrd für immer verloren sein – auch das Wöhrd der Nachkriegszeit hat es verdient, dass seine Bauten bewahrt bleiben.

Andere Vorher-Nachher-Bildfolgen von Stadtbild im Wandel

Fotogener Dauerbrenner: Die „Sutte“ des Heilig-Geist-Spitals

Wintertraum aus Schnee und Sandstein: Das Haus Spittlertorgraben 35

Noblesse aus zwei Epochen: Das Anwesen Marientorgraben 9

Blog abonnieren
'Nürnberg und so' Blogfeed abonnieren

Zusätzlich zu dem Podcast stellt 'Nürnberg und so' auch immer wieder begleitende Geschichten und Informationen aus der Metropolregion Nürnberg vor.

Blog-Artikel als RSS Feed abonnieren

Foodtrucks & Street Food
Finde mit Craftplaces Foodtrucks und Street Food

Logo Craftplaces - mobile Unternehmen wie Foodtrucks und Street Food finden

Die besten Foodtrucks und Street Food in deiner Stadt suchen, denn mobile Unternehmen sind immer und überall für dich da. Craftplaces zeigt dir wo und wann sie unterwegs sind.

Du willst nichts verpassen?
Anmeldung E-Mail Newsletter 'Nürnberg und so'

Anmeldung zum E-Mail Newsletter

Sätze für die Ewigkeit
Podcast Nürnberg und so
Wir sind nicht Deutschland-sucht-den-Superdichter.
Michael Jakob in Sendung No. 27
Physikunterricht stellen sich Schüler wie Angry Birds vor.
Markus Wolf in Sendung No. 19
Wir tun was für die Völkerverständigung von Fürthern und Nürnbergern.
Michael Jakob in Sendung No. 27
Letzte Podcast Sendungen
Nürnberg und so

Jörg Korinek / Podcast-Sendung No. 32

Veröffentlicht am 05.05.2015

Den geborenen Göppinger lockte ein Praktikum in die Frankenmetropole. Dem Weg zum Informatik-Studium gingen einige bundesweite Schulaufenthalte voraus, bei denen er Orientierung gewann und diverse…

zur Sendung No. 32

Roland Rosenbauer / Podcast-Sendung No. 31

Veröffentlicht am 11.02.2015

Aus Cadolzburg kommend, finanzierte er sich mit dem "Ruf der Unendlichkeit" oder der "Rache des Knochenmannes" seine Schulzeit. Trotz BWL Studium landete er schließlich beim Jugendfunk des…

zur Sendung No. 31

Aktuelle Magazin-Artikel
Nürnberg und so

Zehn Fragen an Startup Craftplaces aus Nürnberg

Veröffentlicht am 10.02.2019

Mit der Technologie des Startups Craftplaces finden Millionen Street Food Kunden Foodtrucks. Das junge Technologie-Unternehmen strebt an, das in 5 Jahren alle Foodtrucks in Europa und den USA mit…

weiterlesen

Fotogener Dauerbrenner: Die „Sutte“ des Heilig-Geist-Spitals

Veröffentlicht am 28.12.2018

In den letzten Wochen wurde sie wieder zehntausendfach geknipst: Die malerische Westfront des Heilig-Geist-Spitals. Sie ist nicht nur eines der beliebtesten Fotomotive Alt-Nürnbergs, sondern hat…

weiterlesen

Interview zum Afrika Film

Veröffentlicht am 18.12.2018

Eigentlich war das alles ja gar nicht so geplant gewesen – das mit dem so lange bleiben, das mit dem Alleinsein und dem Weg zu sich selbst. Doch die Frage ist, ob man in diesem Leben so etwas…

weiterlesen

Wintertraum aus Schnee und Sandstein: Das Haus Spittlertorgraben 35

Veröffentlicht am 14.12.2018

Bis zum Zweiten Weltkrieg waren prächtige Vorstadthäuser mit Sandsteinfassaden und Vorgärten in Nürnberg ein vertrauter Anblick. Sie vermittelten weltstädtisches Flair, städtebauliche…

weiterlesen