Weine begreifen und das sogar im wörtlichen Sinn
Aktualisiert am 04. Februar 2019 von Markus Wolf mit Bildergalerie
„Das schmilzt dahin wie Butter in der Sonne“ oder „Der laufende Meter einsachtzig“ waren Aussagen, die man so oder abgewandelt hören konnte. Das besondere Sensorik Seminar fand inmitten des Nord-Ost-Parks statt. Die Veranstaltung hat es sich zum Ziel gesetzt, alle verfügbaren Sinne anzusprechen: riechen, schmecken, fühlen und sehen. In der menschenleeren Umgebung des Industrieparks fand in den Räumen der K&U-Weinhalle das Wein-Stoff Seminar statt.
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Schon vor dem eigentlichen Beginn war die Runde überwiegend gut gelaunt und in freudiger Erwartung. Einige Kunden der Weinhalle reagierten allerdings etwas skeptisch auf die Kombination Stoff und Wein, meinte Martin Kössler, der gemeinsam mit Susanne Spitz diesen 4-Sinne-Test veranstaltete. Zusammen mit der Maßschneiderin – mit der wir in unserer Podcast Sendung No. 24 ein tolles Gespräch führten – war Martin Kössler von Beginn an überzeugt, dass eben jene Kombination ganz neue Erfahrungen für die Weinprobe bringen werde.
„Wir sind doch alle Anfänger, wenn es um Weinverkostung geht“, motivierte Martin die Teilnehmer schon zu Beginn. Er selbst liebt es Maßhemden zu tragen. So Stoff-verliebt wie wir Susanne kennen, hat sie sich sofort auf die Suche nach den passenden Textilien gemacht. Der erste Wein wurde zur Geschmacksjustierung ausgeschenkt. Ein Weißwein aus dem gut sortierten – und da meine ich eine Flasche neben der anderen – Weinregalen eines der größten Weinhändler Deutschlands: LIDL. Seiner Meinung nach, hilft es den Wein-Fachhändlern, wenn LIDL teurere Wein mit ins Sortiment aufnimmt, da auf diese Weise beim Kunden die gewünschte Botschaft rüber kommt. Nämlich, dass guter Wein eben auch etwas teurer ist. Dabei haben handwerklich hergestellte Weine nicht unbedingt einen höheren Preis , denn ab 7 Euro bekommt man schon vernünftige Erzeugnisse, die auch nach dem schmecken, was auf dem Etikett steht: Wein.
Zu Beginn gab es Kunstprodukte
Passend zum Weißwein von LIDL hatte sich Susanne etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Der angemessene Stoff für dieses Kunstprodukt war eine reine Kunstfaser, ein Stoff, den Susanne nur mit SEHR viel Schmerzensgeld verarbeiten würde. „Filialisten machen aus diesem Stoff sehr gerne Abendkleider“ erklärte sie „und weil der Stoff nicht atmet, man darin also recht schnell ins schwitzen kommt, kann man das auch nach einiger Zeit schon riechen.“ Der Stoff raschelte extrem und bei der Verarbeitung konnte man jeden Nadelstich hören. Besonders amüsant fand ich, dass beim Darüberreiben mit dem Fingernagel ein Geräusch entstand, das wie scratchen klang. Zur Einstimmung war diese Kombination besonders gut geeignet, denn sie steigerte die Vorfreude auf die kommenden Wein - Stoff Kombinationen.
Weiter ging es mit einem echten Champagner, 100% Chardonnay, brut nature (bedeutet mit 0 bis 3 g/L Restzucker) und mehreren Jahren auf der Hefe gelegen. Dieser Champagner ist viel feiner und cremiger, als jener der nur kurz zusammen mit der Hefe gelagert wurde. Trotz des sehr geringen Zuckergehaltes ist dieser Wein feinperlig und erfrischend für Zunge und Gaumen. Er bleibt seiner Natur treu – pure Natur eben. Den dazu passenden Stoff auszuwählen war nicht einfach, denn.es musste ein Stoff sein, dessen Natur nicht sofort erkennbar ist. Ein Stoff, der sowohl leicht, als auch äußerst robust und widerstandsfähig ist. Ein Stoff, der überrascht. Das von Susanne ausgesuchte Material ist etwas ganz Besonderes und „keiner der anwesenden Herren hat es jemals zu Gesicht bekommen, obwohl sie es in jedem besseren Anzug mit sich herum tragen,“ erklärte die Maßschneiderin. Dieser luftig leichte Stoff ist Rosshaar. Er wird nur als Einlage für Anzüge verwendet. Das Besondere an ihm: Er hat zwei unterschiedliche Seiten, wobei die eine leicht faltbar und die andere extrem widerstandsfähig ist und sofort wieder in die Ausgangslage zurück springt. ”Wenn ein Sakko mit einer Einlage aus Rosshaar von einem LKW überfahren wird, kann man dieses danach wieder aufheben und es hat seine Form nicht verändert”, weiß die Stoffexpertin zu berichten. Ein idealer Stoff, der seine Qualitäten erst auf den zweiten Blick offenbart.
(Martin Kössler).
Das Wein - Stoff Seminar nahm Fahrt auf
Auf diese Weise ging es weiter und das Team Martin und Susanne zauberte immer neue Kombinationen von Weinen und Textil aus dem Ärmel. Etwas schwieriger wurde es dann bei den Rotweinen. Zuerst wurde immer der Stoffe verteilt und nach dem ersten Feedback der dazu passende Wein ausgeschenkt. Bei Rotwein denkt man zuerst an Rottöne, schwere, samtige und warme Stoffe. Der entscheidende Unterschied zum Weißwein sind aber die im Rotwein enthaltenen Tannine. Diese pflanzlichen Gerbstoffe verändern sich während der Lagerung des Weines und verhindern dessen Oxidation. Interessant ist auch, dass beim Belüften des Weins vor dem Trinken die Tannine polymerisieren und lange Ketten bilden. Diese langkettigen Tannine verhalten sich viel geschmeidiger auf der Zunge, als die kurzkettigen. Das führt dazu, dass Aromen für den Gaumen und die Nase leichter zugänglich gemacht werden und der Wein insgesamt ein besseres Mundgefühl hervor ruft. Zur Einstimmung gab es einen guten Stoff aus Leinen. Er steht für solide Qualität, Bodenständigkeit, nichts Herausragendes, aber eben ein Stoff für jeden Tag. Der dazu passende Wein war ein 2013 Rosso Piceno DOC, ein schlichter und ehrlicher Alltagsrotwein, eben eine gute Einstimmung auf die noch folgenden Rotweine.
Loro Piana gilt als einer der renommiertesten Stoffhersteller und ist der größte Cashmereveredler der Welt. Der von Susanne vorgestellte Stoff ist ein absoluter Klassiker, fantastisch geeignet für Sakkos und Kleiderund sehr angenehm zu tragen, eben ein treuer Begleiter für alle Eventualitäten. Die Teilnehmer waren sich darüber einig, dass sie hier eine wahre Perle in der Hand hielten und warteten gespannt auf den von Martin dazu empfohlenen Wein. Die erste Flasche korkte leider etwas, so dass sich die Spannung weiter erhöhte. Weinkenner hatten schon so ihre Vermutung, die dann auch bestätigt wurde. Ein Pinot Noir, oder Spätburgunder wie er in Deutschland auch genannt wird, aus Südafrika von Laibach Vineyards in Stellenbosch. Nach dem ersten Probieren waren sich die Teilnehmer des Wein - Stoff Seminars aber schnell darüber einig, dass dieser Wein nicht mit dem Stoff konkurrieren konnte. Damit weckten sie Martin Kössler`s Ehrgeiz und er holte aus seinen Lagerräumen einen Wein, den er als ebenbürtig anpries. Ein 2011 Pinot Noir „San Andreas Fault„ aus der kalifornischen Sonoma Coast, einem hügeligen Küstenabschnitt ca. 100 km nördlich von San Francisco. Schon das Aroma beim Eingießen sorgte für Entzücken und spätestens nach dem ersten Schluck waren sich alle einig: Dieser Wein passt hervorragend zum edlen Stoff, leicht süßlich, kühl und seidig und ein Geschmack nach Zimt, Nelken - eben braunen Gewürzen. Auch ein dritter Wein, der als Alternative dazu ebenfalls ausgeschenkt wurde, konnte an dieser Treffsicherheit nichts mehr ändern.
Gerade dieser Vergleich mit drei Weinen zu einem Stoff hat gezeigt, dass Textilien durchaus eine Möglichkeit sein können, sich Weinen geschmacklich zu nähern. Die stetig wachsende Erfahrung der Teilnehmer während der Verkostung war verblüffend und gipfelte eben in dieser Diskussion über die Diva der Rebsorten: Pinot Noir.
Zum Abschluss verglich Susanne noch die Stoffe mit den Trauben. Diese sind das Rohmaterial. Nur aus guten Trauben können auch gute Weine entstehen. Die Maßschneiderei macht diese “Traubenlese” per Hand und setzt keine großen “Erntemaschinen” ein. Es sind alles Unikate, Perlen der Handwerkskunst und durchaus vergleichbar mit Weinen der Extraklasse.
Ich kann dieses Wein-Stoff Seminar von Susanne Spitz und Martin Kössler jedem ans Herz legen, der gern gute Weine probiert. Spezielle Vorkenntnisse sind dafür nicht erforderlich, denn wie Martin Kössler schon zu Beginn meinte: „Wir sind doch alle Anfänger, wenn es um Weinverkostung geht“. In diesem Sinne: Prost!