Lohnt sich Werbung in den Gelben Seiten noch?
Aktualisiert am 14. Juli 2015 von Daniel Bendl
Einmal im Jahr ist es soweit: Im Briefkasten findet sich eine Benachrichtigungskarte vom Müller Verlag (in der Region Nürnberg mit DeTeMedien Herausgeber und Verleger von Gelbe Seiten, Das Örtliche und DasTelefonbuch zuständig).
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Die neuesten Ausgaben vom Telefonbuch und den Gelben Seiten liegen in meiner Postfiliale des Vertrauens zur Abholung bereit. Ich brauche aber keine toten Bäume und die Postwurfsendung wandert dann direkt in den Rundordner unter dem Schreibtisch, denn die Gelben Seiten nutze ich persönlich nicht.
Nutzt überhaupt (noch) jemand die Gelben Seiten?
Soweit zur provozierenden Einstiegsfrage. Wobei, provoziert diese Frage überhaupt jemanden außer den Müller Verlag Nürnberg oder einen der anderen deutschlandweiten Gebietsvertriebler der Gelben Seiten? Als Privatperson begegnen mir die Gelben Seiten jährlich in Form oben genannter Mitteilung. Des weiteren stolpere ich quasi über die Gelbe Seiten Palette unserer lokalen Postagentur in Langenzenn. Kennen Sie auch diese besondere Form der Aufmerksamkeitsverstärker? Bücken Sie sich danach? Nehmen Sie einen gelben Wälzer vom Stapel, schleppen ihn nach Hause, legen ihn neben das Telefon und benutzen ihn wenn Sie einen Handwerker in der Nähe suchen?
Ich habe bisher noch keine Studie in Auftrag gegeben. Aber der VDAV, der Verband Deutscher Auskunfts- und Verzeichnismedien e.V. hat es getan. Markforscher durften 2.000 Verbraucher befragen. Dabei stellte sich heraus, dass 96,3 Prozent der Bevölkerung Branchen-, Telefon- und Adressverzeichnisse in gedruckter Form verwenden (Update: Eine aktuellere Studie vom VDAV gibt es übrigens hier). OK, das ist doch mal eine Aussage. Für mich klingt es eher nach einer Selbstbeweihräucherung der Verlage statt nach einer realistischen Erhebung. Welche 2.000 Personen wurden denn da befragt? Die Generation 70 Plus? Auf der einen Seite gehen Verlagshäuser insolvent bzw. müssen sich nach neuen digitalen Einnahmequellen umsehen, da das Internet die Menschen anders konsumieren lässt als noch vor 20 Jahren. Auf der anderen Seite betrifft dies die gedruckten Ausgaben von Gelbe Seiten & Co. nicht im geringsten. Verwunderlich, aber nehmen wir dies mal so hin.
Investitionsgut Gelbe Seiten
Ganz so einfach und einseitig ist das Thema natürlich nicht zu bewerten. In unserer Werbeagentur stellen wir gerade auf das papierlose Büro um, sind mit iPhone, iPad und Co. nahezu vollständig digitalisiert und suchen ohne Zuhilfenahme der gedruckten Gelben Seiten. Weil sich die Paletten mit Telefonbuch und Gelben Seiten in den Postfilialen aber doch leeren, gibt es offensichtlich immer noch genug Menschen, die zum Firmenverzeichnis aus Papier greifen.
Als Werbeagentur haben wir uns das erste mal vor zehn Jahren mit den Gelben Seiten beschäftigt, als wir einen Anruf vom Müller Verlag aus Nürnberg erhielten. (In der Metropolregion Nürnberg ist der Verlag für den Vertrieb zuständig). In unserem Erstgespräch mit einem Außendienstmitarbeiter des Nürnberger Verlages sollten wir „umfangreiche Argumente für die Schaltung von kostenpflichtigen Einträgen in den Gelben Seiten an die Hand bekommen. Damit können wir unsere Kunden optimal überzeugen, dass ein bezahlter Branchenbucheintrag etwas bringt” (ungefährer Wortlaut). So weit so gut. In der Hauptsache kannten wir nach dem Gespräch die umfangreiche Preisspanne, mit der man bei der Beauftragung eines Eintrages konfrontiert wird.
Anzeigen in Branchenbüchern haben es in sich. Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden. Ein Preis ist immer relativ. Wenn das Verhältnis „Ausgabe zu Ergebnis“ (neudeutsch ROI) die gesetzten Erwartungen erfüllt, ist letztlich jede Investition gerechtfertigt. Aber für kleine Unternehmen ist Auffallen in den Gelben Seiten ein teures Vorhaben. Da sind schnell 2.000 Euro weg – manchem Handwerker sein komplettes Werbe-Jahresbudget. Das Suchverhalten hat sich in den vergangenen Jahren massiv verändert. Das wissen auch unsere Kunden. Gerade kleine Startups stellen uns die Frage „Lohnt sich Werbung in den Gelben Seiten noch?“ Mit 2.000 Euro lässt sich auch durch Suchmaschinenoptimierung nicht alles erreichen, aber gewürzt mit etwas Online Marketing (z.B. Google Adwords) kommen unter Umständen mehr Menschen auf den Geschmack bzw. Ihr Angebot, als mit einer Anzeige im Branchenbuch. Abhängig ist dies in erster Linie von der Branche in der man am Markt agiert und der Zielgruppe.
Monitoring von Branchenbucheinträgen
Ist man bereit (und in der Lage) Geld für Branchenbucheinträge auszugeben, lassen sich die Gelben Seiten durchaus als ein effektives Werbemedium einsetzen. Ich habe bewusst von BranchenbucheinträgEN gesprochen, denn der Schlüssel zum Erfolg liegt meist in der Buchung von mehreren Anzeigen. Ein Beispiel: Eine Schreinerei hat sich neben den klassischen Schreinerarbeiten auch auf Fensterbau und Türenbau spezialisiert. Für diesen Handwerksbetrieb ist es sinnvoll in den Kategorien Schreinerei, Türen und Fenster einen Anzeigenauftrag zu unterschreiben. Während sich die Leistungen von Handwerkern meist auf wenige Branchen eingrenzen lassen, steht es bei Rundum-Service-Dienstleistern schon komplexer aus.
Für ein Reinigungsunternehmen aus dem Raum München haben wir als Werbeagentur ein umfassendes Konzept für die Schaltung, Auswertung und Optimierung von Anzeigen in den Gelben Seiten erarbeitet. Dabei sind moderne Reinigungsunternehmen keine einfachen Putzkolonnen mehr. Stattdessen sind es Fullservice-Dienstleister. Von der Haus- und Grundstückspflege über Teppichreinigung und Bauendreinigung bis hin zu Fassadenreinigung und Industriereinigung sammeln sich einige Themenwelten an.
Beim Suchmaschinenmarketing würde man sagen “OK, lass uns alle relevanten Keywords (zunächst) ohne Kosten der Anzeigenkampagne hinzufügen”. Bei den Gelben Seiten haben sich im konkreten Fall aber schon bei der Anzeigenbeauftragung enorme Rechnungsposten summiert. Da man als Unternehmer gern wissen möchte welche Ausgaben sich rentiert haben, schalteten wir in jeder Kategorie der Gelben Seiten Anzeigen mit unterschiedlichen Kontaktdaten. Eigene Telefon- und Faxnummer sowie E-Mail-Adresse für die Fensterreinigung und eigene Rufnummern sowie Adressen für den Schmutzfangmattenservice – mit dem Einsatz von etwas Technik, geschultem Personal und Statistik-Tools lässt sich der Erfolg jeder einzelnen Anzeige in den Gelben Seiten zeitraumgenau und eurogenau analysieren.
Und selbst?
Als Werbeagentur schalten wir selbst keine Anzeigen in den Gelben Seiten. Wir gewinnen neue Kunden in erster Linie per Empfehlung oder durch Vorträge und Veranstaltungen. Ein Schlüsseldienst hingegen generiert den allergrößten Teil seines Umsatzes durch eine Anzeige in den Gelben Seiten. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass man sich bei verlorenem Schlüssel das Branchenbuch des Nachbarn ausleiht und den erst besten Schlüssel-Notdienst wählt (oder den mit der tollsten Anzeige).
Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst am 13.12.2011 auf einem heute nicht mehr existierenden Blog einer Werbeagentur.