Zwischen St. Johannis und Neuwetzendorf: Die Brückenstraße
Aktualisiert am 12. Dezember 2016 von Boris Leuthold und Sebastian Gulden
Lange Zeit war Nürnberg westlich der Leichenhausgasse am Johannisfriedhof zu Ende. Mit Vollendung der Johannisbrücke 1896 bekam die Straße den neuen Namen „Brückenstraße“, und die Stadt wuchs über ihre Grenzen ins 1899 eingemeindete Wetzendorf hinaus.
Wie hoch der Johannisfriedhof über dem Tal der Pegnitz liegt, sieht und spürt man bei einem Spaziergang auf der Brückenstraße, die von der Johannisstraße steil zum Fluss hin abfällt. Eine gewaltige Futtermauer aus Sandsteinquadern war nötig, um das Erdreich und die Leichenhalle des angrenzenden Friedhofes gegen die Straße abzustützen.
Letzterer verdankte die Straße ihren ursprünglichen Namen „Leichenhausgasse“. An dem störte sich kaum jemand, bis mehr und mehr Wohnhäuser an der Straße entstanden, und die Anwohner sich mit der makabren Anschrift nicht mehr abfinden wollten. Die neue Bezeichnung „Brückenstraße“ verweist auf die 1896 eingeweihte Johannisbrücke, die die Stadtteile St. Johannis und Kleinweidenmühle verbindet. Lange Zeit lag unmittelbar westlich der Brückenstraße die Nürnberger Stadtgrenze zu Wetzendorf, genauer gesagt zum Ortsteil Neuwetzendorf. 1899 kamen die Gemeinde Wetzendorf und mit ihr Neuwetzendorf zu Nürnberg – der Name „Neuwetzendorf“ geriet mit der Zeit in Vergessenheit. Heute kennen die meisten Nürnbergerinnen und Nürnberger das Gebiet unter dem Namen „Sandberg“ oder sehen es als Teil des Stadtteils St. Johannis.
Unsere Vorher-nachher-Bildfolge zeigt den Blick bergan auf die Kreuzung Brückenstraße, Johannisstraße und Kirchenweg. Als Blickfang ragt das mächtige Eckhaus Kirchenweg 68, ein Sandsteinbau im feinsten Nürnberger Stil, auf. Architekt Georg Philipp Höfler errichtete es im Jahr 1899, als sich St. Johannis vom verschlafenen Vorort zu einer geschäftigen Vorstadt mit großstädtischer Bebauung wandelte. Botin der neuen Ära ist die „Dampf-Wäscherei“ im Erdgeschoss. Es handelte sich um eine Filiale der Nürnberger Firma August Scholl, die sich vom Familienbetrieb im Jahr 1888 zur Wäschefabrik mit rund 300 Mitarbeitern im Jahr 1930 mauserte.
Das klassizistische Haus links daneben (Johannisstraße 70) war wesentlich älter. 1980 erlangte es stadtweite Bekanntheit, als 30 junge Leute das leerstehende Haus am Heiligen Abend besetzten. 17 von ihnen musste die Polizei im Februar des Folgejahres aus dem Gebäude tragen; sie hatten sich bis zuletzt geweigert, das zum Abbruch anstehende Haus aufzugeben. Geholfen hat all das leider nichts: An Stelle des zweigeschossigen Baus mit Mansarddach steht heute ein wesentlich größerer Neubau, der gewiss nicht zu den Glanzleistungen moderner Architektur in Nürnberg gehört.
Das unter Denkmalschutz stehende Eckhaus hat sich dagegen gut in unsere Zeit hinübergerettet. Von den Häusern links kann man das leider nicht uneingeschränkt behaupten: Die unsensibel eingebrochenen Schaufenster und der Putzauftrag mögen einmal den Ladenumsatz gefördert haben; schön sind sie heute nicht mehr. Anders als auf unserer historischen Ansicht sind heute an dieser Stelle nur noch wenige Menschen zu Fuß unterwegs. Meist bestimmt das Auto das Bild. Auch die Gleise der Straßenbahn im Vordergrund sind verschwunden. Hier verkehrte bis 1976 die Linie 4 auf dem Weg vom bzw. zum Klinikum Nord.
Andere Vorher-Nachher-Bildfolgen von Stadtbild im Wandel
Fotogener Dauerbrenner: Die „Sutte“ des Heilig-Geist-Spitals
Wintertraum aus Schnee und Sandstein: Das Haus Spittlertorgraben 35