Paris en miniature: Drei frühe Mietspaläste an der Bucher Straße

Aktualisiert am 19. Oktober 2018 von
Bucher Straße

Schweifgiebel und Gaslaterne – über den Dächern an der Einmündung der Jagd- in die Bucher Straße, 1915. Foto: © Hans Förster (Sammlung Werner Jülka, cc)

In den 1880er Jahren gingen Stadt, Grundstücksbesitzer und Architekten an den großstädtischen Ausbau der Bucher Straße in der Nürnberger Nordstadt. Ihre ersten Schöpfungen eiferten der Pariser Baukunst nach.

Hans Bien, der große Kartograf der Stadt Nürnberg, erführe heute, erstünde er wieder auf, den Kulturschock seines Lebens. Abgesehen vielleicht von der Straßenführung hat die Bucher Straße unserer Tage so gar nichts mehr mit dem gemein, was Bien im Jahre 1620 sah und zeichnete.

Zu Biens Lebzeiten wurden die Gärten hinter der Veste ihrem Namen noch vollauf gerecht, und auch gegenüber in Sankt Johannis dominierten weitläufige Nutzgärten mit Wohn- und Wirtschaftsbauten zur Straße das Bild der grünen Vorstadt. Die Jagdstraße war nicht mehr als ein schmales Gässchen, das zwischen den Gartenmauern zweier Anwesen erst nach Westen und dann nach einer scharfen Kurve gen Norden zum Kirchenweg führte. Vorn an der Bucher Straße standen zwei große Wohnhäuser, das südliche der beiden, dort, wo heute das Eckhaus Jagdstraße 1 steht, sogar mit zwei Flügeln.

Für die Gärtner und Johanniser blieb die Idylle noch lange bestehen, länger als etwa für die Gostner und die Südstädter, wo die Industrialisierung sich im 19. Jahrhundert weit rascher und intensiver breitmachte als im Nürnberger Norden. 1876 war aber auch hier Schluss mit Gartenidyll: An Stelle des kleinen Weges brach man die Jagdgasse, nachmals Jagdstraße durch, gegenüber entstand die Untere Pirkheimerstraße, heute ein Teil der Pirckheimerstraße.

Die Einmündung der Jagd- in die Bucher Straße, aufgenommen 1915 und 2015.

Die Einmündung der Jagd- in die Bucher Straße, aufgenommen 1915 und 2015. Fotos: © Hans Förster (1915, Sammlung Werner Jülka) – Sebastian Gulden (2015, cc)

Der findige Maurermeister Lorenz Zitzmann stand da schon in den Startlöchern, um das angrenzende Filetgrundstück Bucher Straße 37a, b und c gewinnbringend für das Stadtbild und natürlich auch seinen Geldbeutel zu verwerten. Nach eigenem Plan errichtete er mit seiner Firma einen prunkvollen Mietspalast mit drei Flügeln. Die Eckrisalite versah er mit Klosterkuppeln, wie sie in der Pariser Neorenaissance der Zeit Mode waren. Der Mitteltrakt erhielt ein prächtiges Zwerchhaus mit Rundbogenarkaden und bekrönender Balustrade. 1887 war das Ensemble vollendet und die ersten wohlhabenden Mieter bezogen ihr Heim gegenüber dem Colleggarten, der sich damals noch über das Gelände des heutigen Staatlichen Bauamtes (Bucher Straße 30) hinweg erstreckte. 1906 bezog die Hirsch-Apotheke das Ladengeschäft im Erdgeschoss der Nr. 37a. Ihre wunderschöne Einrichtung aus dieser Zeit ist bis heute erhalten und lädt manch Besucher dazu ein, etwas länger zu verweilen als üblich.

1893 vervollständigte Maurermeister Nikolaus Höfler diese Ensemble im Stil der Neorenaissance um das schmucke Eckhaus Bucher Straße 35. Durch seine reich gegliederten Fassaden und die abgeschrägte Ecke zur Straßenkreuzung wirkt es wesentlich zierlicher als es eigentlich ist. Beiden Gebäuden gemein ist, dass sie als Ziegelbauten ausgeführt wurden. Nur Gliederung und Bauschmuck bestehen aus dem ortstypischen Burgsandstein. In der Nr. 35 war im Erdgeschoss lange Jahre eine Filiale der Dresdner Bank beheimatet, in jüngerer Zeit das beliebte italienische Restaurant „La Chitarra“. Heute genießt man hier indische Spezialitäten.

Das Eckhaus Jagdstraße 1, aufgenommen zwischen 1950 und 1957 und 2014.

Das Eckhaus Jagdstraße 1, aufgenommen 1950/1957 und 2014. Fotos: © unbekannt (1950/1957, Sammlung Sebastian Gulden) – Boris Leuthold (2014, cc)

Dass die roten Häuser am Eck die Stürme der Zeit so gut überstanden haben, grenzt an ein Wunder. 1945 regneten die Bomben vom Himmel, und einige von ihnen durchschlugen das alte Mansarddach der Nr. 35 – doch sie gingen nicht hoch. Als die US-Armee bereits auf Nürnberg vorrückte, gaben Gauleiter Karl Holz und Oberbürgermeister Willy Liebel aus der Sicherheit des Palmenhofbunkers die Parole aus, die Stadt bis zum letzten Mann zu verteidigen. Den Kopf mussten andere hinhalten. Artilleriegeschosse zuckten über den Himmel, eines setzte das „Burgbräustübl“ (Jagdstraße 1) direkt gegenüber der Bucher Straße 37 in Brand. Kreuzung um Kreuzung, Haus um Haus rückten die Amerikaner vor und überwanden schließlich auch die Panzersperren an der Kreuzung Bucher und Jagdstraße/Pirckheimerstraße. Am 20. April 1945 war dann der Krieg in Nürnberg endgültig vorbei.

Die Bucher Straße und ihre Bauten überstanden Bomben und Beschuss leidlich, aber weit besser als manch anderer Straßenzug, den der Krieg förmlich dem Erdboden gleichmachte. Ein paar Federn musste aber auch dieses Ensemble lassen: Die Kriegswunden an den Häusern Jagdstraße 1 und Bucher Straße 37c (in der Mitte der oberen Bildfolge im Hintergrund) kaschierte man mit nivellierendem Putz, der die prunkvolle Sandsteingliederung und die roten Ziegelmauern von einst verschwinden ließ. Ein paar Überraschungen halten aber selbst solch kriegsgebeutelte Altbauten bereit: Erst in diesem Jahr wurde im Haus Jagdstraße 1 eine prunkvolle originale Stuckdecke freigelegt, die nun den würdigen Rahmen für die Weinhandlung im Erdgeschoss bildet.

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