Wie ein Turm: Ein Eckhaus an der Äußeren Sulzbacher Straße
Aktualisiert am 29. Mai 2017 von Boris Leuthold und Sebastian Gulden
Für viele ist die Äußere Sulzbacher Straße vor allem Verkehrsweg und Staufalle. Dass ihre Ränder mit architektonischen Schätzen aufwarten, bemerken die wenigsten. Zu diesen Schätzen gehört das turmartige Eckhaus Fichtestraße 23 von 1899.
Gemessen an ihrer Länge weist die Äußere Sulzbacher Straße heute nur noch wenige historische Gebäude auf. Das hat nicht zuletzt mit den enormen Schäden zu tun, die die Bomben des Zweiten Weltkrieges in den Stadtteilen zu beiden Seiten der Ausfallstraße – den Gärten bei Wöhrd, Schoppershof, Veilhof und Sankt Jobst – hinterlassen haben.
Einige der schönen Mietshäuser haben sich bis in unsere Tage hinübergerettet. Allein ihre Höhe von bis zu fünf Vollgeschossen vermittelt uns Heutigen einen Eindruck davon, dass hier vor über 100 Jahren großstädtisch geplant und gebaut wurde. Einheitlich war die Bebauung aber nie. Kleine und große, hohe und niedrige, schmale und breite Gebäude wechselten einander ab und ergaben ein malerisches Bild, das sich noch an manchem Straßenabschnitt erahnen lässt.
Zum Beispiel an der Kreuzung mit der Fichtestraße in Schoppershof: Seit dem Jahre 1899 ragt dort ein gewaltiges Sandsteinhaus auf, das mit seiner schlanken Kubatur, seinen fünf Vollgeschossen und geschweiften Giebeln am Dach fast schon wie ein mittelalterlicher Wohnturm wirkt. Typisch fränkischer Sandstein und die Formen der seinerzeit international beliebten Neorenaissance gehen hier eine harmonische Verbindung ein.
Im Inneren des Hauses fanden zur Zeit seiner Fertigstellung pro Etage zwei bis drei Wohnungen Platz. Im Erdgeschoss eröffnete Wirt Thomas Münch das Restaurant „Sulzbacher Hof“. Die Bezeichnung wirkt beinahe wie ein heimliches Aufbegehren gegen den Nürnberger Stadtrat: Als die Schoppershofer 1901 erbaten, dass das als abwertend empfundene „Äußere“ aus „ihrem“ Teil der Sulzbacher Straße gestrichen werde, wurden sie von den Stadtoberen brüsk abgewiesen. Benannt hat man die Sulzbacher und die Äußere Sulzbacher Straße übrigens nach ihrem Fernziel, der früheren pfälzischen Residenzstadt Sulzbach (heute Sulzbach-Rosenberg).
Jakob Knauß, der Thomas Münch als Wirt nachfolgte, ließ 1912 unsere historische Fotografie anfertigen, auf der er selbst mit seinen Gästen und anderen Bewohnern des Hauses aus den Fenstern lugt. Drinnen hinter den großen Bogenfenstern im Erdgeschoss ging’s bei frisch gezapftem Zeltner-Bier und Begleitmusik aus dem Grammophon – der Betrieb eines solchen war zur Kaiserzeit noch meldepflichtig! – recht gemütlich zu.
Äußerlich hat sich am Haus Fichtestraße 23 wenig geändert; allein die leicht vereinfachten Giebel künden noch von den Verheerungen des Weltkrieges. Die Rundbogenfenster im Erdgeschoss hat man später zu rechteckigen Maueröffnungen umgestaltet. Und auch das alte Grammophon ist verstummt; heute geben sich hier die Fans des Clubs dem Genuss von Bier und (hoffentlich großem) Fußball hin.
Eine Bronzetafel, die bei der Renovierung 1989 an der Fassade angebracht wurde, belegt, dass dieses Haus im Besitz von Menschen ist, die die Geschichte und die städtebauliche Bedeutung des Gebäudes zu schätzen wissen. Die Inschrift lautet denn auch verheißungsvoll: „Neunzig Jahr steht dieses Haus / Viele gingen ein und aus / Soll noch lange Zeit hier stehn / Lauter frohe Menschen sehn“.
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