Pracht über der Pegnitz: Mietspaläste an der Hochstraße

Aktualisiert am 14. Mai 2018 von
Hochstraße 42

Grüner Vorgarten und malerische Architektur in der Hochstraße 42. Foto: © Sebastian Gulden (2016, cc)

Um 1900 war die Hochstraße über der Pegnitz ein „In-Viertel“ für jene, die Geschmack und Geld besaßen. Noch heute zeugen prächtige Mietspaläste vom Repräsentationswillen der Fabrikanten, Kaufleute und Künstler von einst.

Die Hochstraße im Stadtteil Kleinweidenmühle gehört zu jenen Straßenzügen, in denen man das Gefühl hat, dem Nürnberg der vorletzten Jahrhundertwende ganz nah zu kommen. Das liegt zum einen an ihrer weitgehend erhaltenen Bebauung mit Mietshäusern im Nürnberger Stil, im Klassizismus und dem Jugendstil. Zum anderen sorgen die Handwerker, Künstler, Hauseigentümer und Bewohner, die ihr Viertel, ihre Straße und ihre Häuser schätzen, hegen und pflegen, dafür, dass die Welt hier noch ziemlich in Ordnung zu sein scheint. Hinter der Bezeichnung „Hochstraße“ verbirgt sich übrigens die ganz banale Erklärung, dass sie vergleichsweise hoch über der Pegnitz liegt, was einem beim Spaziergang durch die deutlich abfallenden nördlichen Querstraßen bewusst wird.

Als die Ränder der Hochstraße um das Jahr 1900 bebaut wurden, müssen sich die Bauunternehmer wie Heuschrecken auf die Filetgrundstücke gestürzt haben, die sowohl nahe an der Innenstadt als auch an der grünen Lunge der Pegnitzauen lagen. Wer sich ein bisschen auskennt in der Architekturgeschichte, kann noch heute am Baustil und dem Alter der Häuser erkennen, dass die Straße beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs bereits dicht bebaut war.

Die Häuser Blumenthalstraße 8, 6, 4 und 2, aufgenommen 1915 und 2015.

Die Häuser Blumenthalstraße 8, 6, 4 und 2 (von links nach rechts), aufgenommen 1915 und 2015. Fotos: © unbekannt (1915, Sammlung Bernad Batinic) – Boris Leuthold (2015, cc)

Kaspar Geitz sicherte sich die einander benachbarten Grundstücke Roonstraße 5 und 7, Hochstraße 38, 40, 42 und Blumenthalstraße 6 und 8, die er zwischen 1904 und 1908 mit Mietshäusern bebaute. Dass er Bauherr, Bauunternehmer, Architekt und Vermieter in Personalunion war, war für die damalige Zeit nicht ungewöhnlich und hatte durchaus Vorteile für die Bewohnerinnen und Bewohner, die alles „aus einer Hand“ bekamen. Nur beim Haus Roonstraße 5 erhielt er Unterstützung durch Architekt Hans Beitter. Die Gebäude gehörten allesamt dem gehobenen Preissegment an und verfügten über geräumige Wohneinheiten mit Strom- und Telefonanschluss, privaten Bädern und Toiletten.

Entsprechend betucht war die Bewohnerschaft, die überwiegend aus Kaufleuten, höheren Beamten, Geschäftsinhabern und Fabrikanten bestand. In der Hochstraße waren in den 1920er Jahren die Spielwarenfabriken Wilhelm Krauß, Hans Eberl und Wilhelm Simon & Co., die Pinselfabrik Sterna, der Ansichtskartenverlag Bernhard Lehrburger und mehrere Hopfengroßhandlungen ansässig. Im Haus Nr. 5 lebte der Bildhauer Fritz Zadow (1862-1926), dem Nürnberg unter anderem den Nymphenbrunnen am Aufseßplatz und den Burgschmietbrunnen am Neutorgraben verdankt.

Man muss schon genau hinsehen, um den Wandel am Haus Hochstraße 42 zu erkennen, hier zu sehen in zwei Aufnahmen von 1919 und 2016.

Man muss schon genau hinsehen, um den Wandel am Haus Hochstraße 42 zu erkennen, hier zu sehen in zwei Aufnahmen von 1919 und 2016. Fotos: © unbekannt (1919, Sammlung Sebastian Gulden) – Sebastian Gulden (2016, cc)

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ließen sich auch zahlreiche wohlhabende jüdische Familien in der Hochstraße nieder. Die großzügige Etagenwohnung im zweiten Stock der Nr. 42 bewohnte der Kaufmann Albert Heimann senior (geboren 1873), Inhaber einer Handlung für Drechslerwaren in der nahen Blumenthalstraße. Während der Novemberpogrome 1938 geriet er in die Hände von Mitgliedern der SA, die den damals 65jährigen mit Schlägen ins Gesicht und auf den Kopf malträtierten. Wenige Jahre später verschleppten ihn die Nazis ins Ghetto Theresienstadt. Er kehrte nie zurück. Wann und unter welchem Umständen Albert Heimann starb, liegt jedoch im Dunkeln. Sein Schicksal teilte Antonie Elsas (geboren 1887), die mit ihrem Mann, dem Rechtsanwalt Heinrich Orthal und den gemeinsamen Kindern in der Blumenthalstraße 8 wohnte. Nachdem sie ihren Kindern und ihrer pflegebedürftigen Mutter die Flucht nach Palästina ermöglicht hatte, musste sie in Deutschland zurückbleiben und wurde 1944 in Auschwitz ermordet.

Die Häuser an der Roon- und der Blumenthalstraße, die in Formen des Jugendstils und des Neubarock daherkommen, zeichnen sich durch gestalterischen Variantenreichtum aus. Der Blumenthalstraße 8 und der Roonstraße 5 verpasste Geitz je einen straßenbildprägenden Erkerturm, der um 1900 als die „ultima ratio“ schlechthin für die malerische Gestaltung von Eckhäusern galt. Die drei Anwesen Hochstraße 38, 40 und 42 sowie Blumenthalstraße 6 dagegen ähnelten einander zumindest oberhalb des Erdgeschosses stark. Allein die zarten Jugendstil-Schmuckformen wandelte Geitz getreu dem lateinischen Motto „variatio delectat“ (Abwechslung erfreut) ab. Heute, nach diversen Renovierungen und Eigentümerwechseln, sind die Unterschiede größer als dereinst: Fenster, Türen und Tore wurden teilweise ausgetauscht, die Schornsteine der Kamine erneuert. Doch haben sich alle Häuser – mit Ausnahme der kriegsbeschädigten Blumenthalstraße 6 – ihr ursprüngliches Dekor und die Vorgärten mit ihren kunstvollen schmiedeeisernen Zäunen bewahrt. Es bleibt zu hoffen, dass Eigentümer, Bewohner und Denkmalschutz dafür Sorge tragen, dass das so bleibt.

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