Jugendstil am Eck: Das Haus Kobergerplatz 4

Aktualisiert am 02. April 2018 von
Kobergerplatz

Der Kobergerplatz in der Abendsonne, im Hintergrund die Häuser Nr. 8, 6 und 4 (von links nach rechts). Foto: © Boris Leuthold cc)

Als Verkehrsknoten geplant, ist der Kobergerplatz heute ein fast schon idyllischer Stadtteilpark mit Wochenmarkt und Spielplatz. Großstädtisch sind die Häuser an seiner Südseite, die vom Einfallsreichtum der Architekten um 1900 zeugen.

In unseren Tagen ist der Kobergerplatz ein ruhiges Eck in den Gärten hinter der Veste mit einer von hohen Laubbäumen umstandenen Grünfläche. Jeden Freitag belebt ein kleiner, aber feiner Wochenmarkt den Platz. Ein paar Schritte weiter, im Carrettschen Park, liegt ein beliebter Kinderspielplatz. Zweimal im Jahr, beim „Kobergerplatzfest“ und beim „Weihnachtsmarkt“ steppt hier der Publikumsbär. Ansonsten lässt der idyllische Zustand vergessen, dass der Kobergerplatz 1899 als Verkehrsknoten geplant wurde, an dem sich nicht weniger als fünf Straßenzüge trafen.

Ein repräsentativer Platz sollte es werden, gesäumt von prachtvollen Fassaden, die den Stolz der Bürger und die Hoffnung auf eine rosige Zukunft ausdrückten. Die Häuser und ihre Fassaden wurden gebaute Wirklichkeit, der ganz große Verkehr aber kam nicht: Der Erste Weltkrieg setzte dem Wachstum der Nürnberger Nordstadt ein vorläufiges Ende. Der „Großreuther Weg“, geplant als direkte Verbindung der Kaulbach- mit der Rollnerstraße, wurde nie gebaut. Auch die Fertigstellung des Nordbahnhofs, der 1899 als Güterumschlagplatz an der Ringbahn errichtet wurde, änderte daran nichts. So blieb die Gegend nördlich des Kobergerplatzes bis in die 1960er Jahre eine locker bebaute Zwischenstadt mit weitläufigen Industrielagerplätzen und Kleingartenkolonien. 1984 erhielt der Kobergerplatz auf Initiative von Anwohnern dann seine heutige, parkartige Gestalt.

Das Haus Kobergerplatz 4, aufgenommen 1920 und 2018.

Das Haus Kobergerplatz 4, aufgenommen 1920 und 2018. Fotos: © unbekannt (1920, Sammlung Sebastian Gulden) – Sebastian Gulden (2014, cc)

Eines der prachtvollen Mietshäuser am südlichen Rand des Kobergerplatzes ist das Eckhaus mit der Nr. 4 an der Einmündung der Kaulbachstraße. Mit seinem Nachbarhaus Nr. 6 bildet es ein gediegenes Ensemble des Jugendstils. Über dem Erdgeschoss aus Sandsteinquadern beleben breite Pilaster und von Stuckrahmen eingefasste Fensterachsen die Fassaden. Die Formen der Kapitelle, der Reliefs unter den Fenstern und des Giebels erinnern an die Baukunst des Barock. Am „Knick“ der Fassade ragt ein dreiviertelrunder Erkerturm mit Glockenhaube auf – ein Stilmittel, das man um 1900 nicht nur in Nürnberg gerne verwendete, um den Ecken von Gebäuden malerische Wirkung zu verleihen.

Die Wohnungen hinter den Fassaden (je zwei pro Etage) waren für ihre Zeit konventionell geschnitten, aber mit je vier Zimmern und eigener Toilette durchaus komfortabel. Das ausnehmend breite Fenster im Erdgeschoss rechts der Eingangstür erinnert an den Obst- und Gemüseladen von Elise und Bernhard Nagengast, nachmals Kolonialwarenhandlung Kolmhuber, der sich hier einst befand. Nach 1945 hat man ihn zu einer Wohnung umgebaut, jedoch mit so viel Fingerspitzengefühl, dass die Veränderung auch auf den zweiten oder dritten Blick kaum auffällt.

Die Häuser Kaulbachstraße 36 und 38 mit Kobergerplatz 4, von rechts nach links.

Die Nachbarhäuser Kaulbachstraße 36 und 38 mit Kobergerplatz 4 (von rechts nach links). Foto: © Boris Leuthold (cc)

Entwerfer des Hauses Kobergerplatz 4 war Gregor Betz, der ein Bautechnisches Büro in der Tuchgasse nahe dem Hauptmarkt betrieb. Er hatte bereits 1906 die Nachbarhäuser Kaulbachstraße 36 und 38 geplant und gebaut. Bauherr des Eckgebäudes war der Maurermeister und Bauunternehmer Georg Hartmann, dessen Wohnhaus und Firma gleich um die Ecke am Kobergerplatz 8 lagen. Auf dem historischen Bild prangt noch sein (heute verschwundenes) Monogramm „G. H.“ am Giebel. Hartmann hatte das Haus nicht lange inne: Schon kurz nach seiner Fertigstellung 1907 ging es an Julius Brebacher, seines Zeichens Vertreter der Pfälzischen Hypobank und wohnhaft in der Fürther Straße. Für ihn war das Haus am Kobergerplatz ein Investitionsobjekt.

Das Eckhaus hat Krieg und Nachkriegsmodernisierung gut überstanden. Allein die neuen Fenster schmeicheln den schmucken Fassaden wenig. Ohne die filigrane Sprossenteilung ihrer Vorgänger wirken sie wie Löcher in der Außenhaut des Gebäudes. Auch die Jalousien aus Holzbrettchen mit ihren aus Blech gepressten Schabracken sind Geschichte. Doch wer weiß, vielleicht kommt sie wieder, die alte Pracht, die oft von solch kleinen, aber wichtigen Details abhängt. Viele historische Häuser im Viertel wurden in den letzten Jahren liebevoll restauriert. Die Gärten hinter der Veste, sie sind heute wieder „in“, so wie anno 1907.

Andere Vorher-Nachher-Bildfolgen von Stadtbild im Wandel

Fotogener Dauerbrenner: Die „Sutte“ des Heilig-Geist-Spitals

Wintertraum aus Schnee und Sandstein: Das Haus Spittlertorgraben 35

Noblesse aus zwei Epochen: Das Anwesen Marientorgraben 9

Blog abonnieren
'Nürnberg und so' Blogfeed abonnieren

Zusätzlich zu dem Podcast stellt 'Nürnberg und so' auch immer wieder begleitende Geschichten und Informationen aus der Metropolregion Nürnberg vor.

Blog-Artikel als RSS Feed abonnieren

Foodtrucks & Street Food
Finde mit Craftplaces Foodtrucks und Street Food

Logo Craftplaces - mobile Unternehmen wie Foodtrucks und Street Food finden

Die besten Foodtrucks und Street Food in deiner Stadt suchen, denn mobile Unternehmen sind immer und überall für dich da. Craftplaces zeigt dir wo und wann sie unterwegs sind.

Du willst nichts verpassen?
Anmeldung E-Mail Newsletter 'Nürnberg und so'

Anmeldung zum E-Mail Newsletter

Sätze für die Ewigkeit
Podcast Nürnberg und so
Dann kam Windows und veränderte alles.
Jörg Korinek in Sendung No. 32
Die Crew eines Kreuzfahrtschiffs schläft auch an Board. Es wäre etwas umständlich die jeden Tag einzufliegen.
Wolfgang Kießling in Sendung No. 11
Bärlauchbrot, Weltmeisterbrot… lauter so Quatsch.
Arnd Erbel in Sendung No. 29
Letzte Podcast Sendungen
Nürnberg und so

Jörg Korinek / Podcast-Sendung No. 32

Veröffentlicht am 05.05.2015

Den geborenen Göppinger lockte ein Praktikum in die Frankenmetropole. Dem Weg zum Informatik-Studium gingen einige bundesweite Schulaufenthalte voraus, bei denen er Orientierung gewann und diverse…

zur Sendung No. 32

Roland Rosenbauer / Podcast-Sendung No. 31

Veröffentlicht am 11.02.2015

Aus Cadolzburg kommend, finanzierte er sich mit dem "Ruf der Unendlichkeit" oder der "Rache des Knochenmannes" seine Schulzeit. Trotz BWL Studium landete er schließlich beim Jugendfunk des…

zur Sendung No. 31

Aktuelle Magazin-Artikel
Nürnberg und so

Zehn Fragen an Startup Craftplaces aus Nürnberg

Veröffentlicht am 10.02.2019

Mit der Technologie des Startups Craftplaces finden Millionen Street Food Kunden Foodtrucks. Das junge Technologie-Unternehmen strebt an, das in 5 Jahren alle Foodtrucks in Europa und den USA mit…

weiterlesen

Fotogener Dauerbrenner: Die „Sutte“ des Heilig-Geist-Spitals

Veröffentlicht am 28.12.2018

In den letzten Wochen wurde sie wieder zehntausendfach geknipst: Die malerische Westfront des Heilig-Geist-Spitals. Sie ist nicht nur eines der beliebtesten Fotomotive Alt-Nürnbergs, sondern hat…

weiterlesen

Interview zum Afrika Film

Veröffentlicht am 18.12.2018

Eigentlich war das alles ja gar nicht so geplant gewesen – das mit dem so lange bleiben, das mit dem Alleinsein und dem Weg zu sich selbst. Doch die Frage ist, ob man in diesem Leben so etwas…

weiterlesen

Wintertraum aus Schnee und Sandstein: Das Haus Spittlertorgraben 35

Veröffentlicht am 14.12.2018

Bis zum Zweiten Weltkrieg waren prächtige Vorstadthäuser mit Sandsteinfassaden und Vorgärten in Nürnberg ein vertrauter Anblick. Sie vermittelten weltstädtisches Flair, städtebauliche…

weiterlesen