Dann und wann ein gold’ner Elefant: Chic der 50er auf der Sebalder Seite
Aktualisiert am 10. Juli 2017 von Boris Leuthold und Sebastian Gulden
Die Bomben des Zweiten Weltkriegs vernichteten das Nürnberger Gasthaus „zum gold’nen Elefanten“. Die Nachkriegszeit schuf an seiner Stelle einen stadtbildprägenden Neubau im Chic der Wirtschaftswunderzeit.
Na gut, den ersten Teil der Überschrift haben wir aus Rainer Maria Rilkes Gedicht „Das Karussell“ geklaut und dann auch noch ein wenig abgeändert. Die Eheleute Kauppert, um 1900 Inhaber des altehrwürdigen Gasthauses „zum gold’nen Elefanten“ in der Inneren Cramer-Klett-Straße/Ecke Laufertormauer, hätten sich gewiss über die Publicity gefreut.
Inbegriff der Gemütlichkeit
Gebraucht hätte es das aber nicht, denn der alte „Gold’ne Elefant“ sah auch so schon wie der Idealtypus einer gemütlichen Altnürnberger Wirtschaft aus: Da war das stämmige, äußerlich wohl im 18. Jahrhundert überarbeitete und aus Sandsteinquadern gefügte Vorderhaus mit schmiedeeisernem Ausleger und dem namensgebenden goldenen Dickhäuter; nördlich schlossen sich verwinkelte Nebengebäude mit Saal und Treppenturm aus Sichtfachwerk an. Eine überdachte Laube an der Laufertormauer gewährte den Gästen auch bei kühler und regnerischer Witterung einen gemütlichen Platz im Freien.
Anders als heute reichte die Baugruppe im Osten nicht bis an den Gehsteig heran. So blieb an der Kreuzung der beiden Altstadtgassen ein malerischer Platz, den im Osten das Wöhrder Türlein und die Stadtmauer rahmten. 1871 aber wurde diese schnuckelige Ecke jäh gestört: Das Wöhrder Türlein und die angrenzende Bastei galten Stadtoberhäuptern und Industriellen – allen voran der Firma Cramer-Klett, die ihre Gießerei gegenüber im heutigen Cramer-Klett-Park hatte – als Verkehrshindernis und wurden mitsamt dem Stadtmauerzug bis zum Äußeren Laufertor weggerissen.
Auferstanden aus der Steppe
Die Bomben des Zweiten Weltkriegs ebneten den „Gold’nen Elefanten“ und seine Nachbarschaft buchstäblich ein. Die zynische Bezeichnung „Sebalder Steppe“ für diesen am stärksten zerstörten Bereich Nürnbergs ist vielen noch heute ein Begriff. Erst neun Jahre nach Kriegsende fertigte Architekt Georg Billmann 1954 einen Rahmenplan für die Neubebauung der Inneren Cramer-Klett-Straße. Der neue „Gold’ne Elefant“ gehörte 1955 zu den ersten Neubauten des Viertels.
Zurückhaltender Chic der Fünfzigerjahre – ein eckseitiger Eingang mit Rundpfeiler, vorspringende Balkone zur Ost- und abstrakte Ornamentbemalung an der Südseite – zieren den stadtbildprägenden Eckbau bis heute. Einst blinkte an der Fassade eine schrille Leuchtreklame. Zusammen mit der 1963 angebrachten Beschriftung der Wäscherei Roth („Roth wäscht weiß“) auf der anderen Straßenseite bildete es nächtens eine Art „Tor zur Altstadt“, das mit energisch geschwungenen Buchstaben und strahlenden Farben vom Anbruch einer neuen Ära kündete, von der sich viele Frieden und Wohlstand erhofften.
Auch der Gastraum des „Gold’nen Elefanten“ mit seiner spartanisch anmutenden Ausstattung war typisch für die Nachkriegszeit. Spätere Generationen verbanden mit solchen Interieurs (zu Unrecht) eine verstaubte Küche und den Geruch von uraltem Bratfett, wie er aus so mancher Beitze herausweht. Dabei waren die pastellfarbenen Wandfassungen, die Reliefglasscheiben und die filigranen Holzstühle mit ausgestellten Beinen seinerzeit der letzte Schrei. Gäbe es dieses Ensemble heute noch, es wäre wahrscheinlich „Kult“ und kombiniert mit einer feinen Küche einfach nur sagenhaft.
Vom Strukturwandel erfasst
Heute wird gewohnt und kreativ gearbeitet im „Gold’nen Elefanten“. Dem Wirtshaus widerfuhr das gleiche Schicksal wie zahllosen Läden und Restaurants in Nürnberg. In Zeiten, da die Menschen lieber Supermärkte und Einkaufscenter aufsuchen oder ihre Weihnachtsgeschenke im Internet bestellen anstatt durch die Innenstadt zu bummeln und mittags in ihr Lieblingslokal einzukehren, geben viele Einzelhändler und Gastronomen auf. Die Schaufenster werden zu Wohnzimmerfenstern, Geschäftsräume zu Kinderzimmern.
Allerdings, der „Gold’ne Elefant“ hat verständige neue Eigentümer und Nutzer gefunden: vor wenigen Jahren sanierte die Berger-Gruppe den gesamten Blockrand zwischen Münzgasse und Laufertormauer. Die Fassadengestaltung des „Gold’nen Elefanten“ und das originale Treppenhaus blieben erhalten und wurden restauriert.
Auch bei „Roth wäscht weiß“ geht in diesen Tagen eine Ära zu Ende: Die Wäscherei macht Wohnraum Platz. Die stadtbekannte Leuchtreklame aber wird bleiben. Erleuchtet sein wird sie allerdings nicht mehr.
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