Alle Wege führen nach Rom: Ein Wirtshaus in der Paumgartnerstraße
Aktualisiert am 21. Februar 2017 von Boris Leuthold und Sebastian Gulden
War es die Sehnsucht nach dem sonnigen Süden, der die Wirtschaft in der Paumgartnerstraße 22 in Gostenhof einst ihren Namen verdankte? Das Haus, in dem sie sich befand, steht noch heute und ist ein Schmuck seiner Umgebung.
Am Ende des 19. Jahrhunderts entstand zwischen Adam-Klein-, Paumgartner- und Denisstraße ein ganzer Block nagelneuer, hochaufragender Mietshäuser mit prächtigen Fassaden und Dachlandschaften. Das Eckhaus Paumgartnerstraße 22 war 1897 vollendet. Der Bauherr ließ das Jahr der Fertigstellung und sein Monogramm („N. W.“) gut sichtbar am zweiten Obergeschoss des Erkers zur Paumgartnerstraße anbringen.
1902 befand sich das Gebäude im Besitz des Holz- und Kohlenhändlers Johann Frieß. Mit seinem Geschäft war er offenbar nicht voll ausgelastet, eröffnete er doch im selben Jahr im Ladenlokal des Neubaus an der Ecke Denis- und Paumgartnerstraße seine „Restauration Stadt Rom“. Ein paar Jahre später, 1907, ließ sich der neue Pächter Melchior Mathes mit Frau, Kindern, Nachbarn und seinem Lokal auf einer Ansichtskarte verewigen. Die Karte wurde in kleiner Auflage im Lichtdruckverfahren vervielfältigt und dann vermutlich am Tresen zum Kauf angeboten. Kostenlose Postkarten mit Fotos oder schnippischen Sprüchen zum Mitnehmen, so wie es sie heute allerorten gibt – das war damals ob der hohen Kosten für Fotografie und Druck noch undenkbar.
Was Johann Frieß dazu bewog, seiner doch eher bodenständigen Wirtschaft den Namen der italienischen Hauptstadt zu geben, wissen wir leider nicht. Was wir wissen, ist, dass viele Gastwirte um 1900 ihren Etablissements die Namen von Ortschaften gaben; von der Metropole bis zur Kleinstadt war alles vertreten: Da gab es etwa den „Kölner Hof“ an der Landgrabenstraße, die „Stadt Windsheim“ in der Pillenreuther Straße, die „Stadt Berneck“ in der Wiesenstraße oder die „Stadt Wien“ in der Brunnengasse. Oft wird die Herkunft der Pächter – immerhin waren viele Nürnberger um 1900 Zuwanderer – sie auf diesen Bezeichnungen gebracht haben. Bisweilen wird es reines Marketing gewesen sein, dass die romantischen Sehnsüchte der Kundschaft befeuerte. Im Arbeiterviertel Gostenhof, wo viele Menschen ein von anstrengender Arbeit und materieller Not erfülltes Leben führen mussten, war ein Ausflug in den sonnigen Süden eine willkommene Abwechslung, auch wenn es nur das Wirtshaus um die Ecke war.
Das Eckhaus an der Paumgartnerstraße gehört – wie auch seine Nachbarhäuser im selben Block – zweifellos zu den vornehmeren Mietshäusern Gostenhofs, zumindest in der Außenansicht. Der Architekt versah die massiven Sandsteinfassaden mit einem Erker und schmückenden Reliefs im Stil des Neubarock. Ein übellaunig dreinguckender Maskaron mit weit aufgerissenem Mund über den Eingängen nahm Wirtshausgäste und Hausbewohner in Empfang. Ob ihm wohl die Last des Erkers, den er stützte, zu viel war? Oder sah man in ihm ein probates Mittel, um nervige Hausierer und Reklameausträger abzuschrecken? Im Gegensatz zu der hübschen Dachlandschaft mit Zwerchhäusern und Giebelgauben an der Straßenecke gibt es den separaten Gastraumzugang und auch den Maskaron heute nicht mehr: Die Tür hat man zugesetzt, den Sandsteinkopf abgeschlagen. Möglicherweise schreckte er dann doch zu viele Kunden, Kinder und Hausgäste ab.
Die Tradition der Gaststätte in der Paumgartnerstraße 22 lebt bis in unsere Tage fort. Heute bietet der „Hobelwirt“ hier griechische Spezialitäten an. Auch die reich geschmückten Eingangstüren im Stil der Neorenaissance mit kunstvollen Gittern gibt es noch. Und auch ein Wirtshausschild mit schmiedeeisernem Ausleger bekam das Haus spendiert; es ist zwar wohl kein Original der Zeit um 1900, doch es zeigt, dass hier jemand mit Sinn für den Wert der historischen Hausfassade gewirkt hat.
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