Ist das Baukunst oder kann das weg? Das Haus Schweppermannstraße 66
Aktualisiert am 19. März 2018 von Sebastian Gulden
Nürnberg ist in stetem Wandel. Das hat Vor- und Nachteile, denn manchmal kommen dabei Bauten unter die Räder, die eine Zukunft verdient hätten. Ein Beispiel ist das Eckhaus Schweppermannstraße 66 in den Gärten hinter der Veste.
Große Mietshäuser der Zeit um 1900 verschwinden heute nicht mehr einfach so. Vor 40, 50, 60 Jahren war das noch ganz anders. Da galt der „Kitsch“ der Jahrhundertwende wenig bis nichts. Den vorstehenden Bauschmuck, einst Stolz der Besitzer, empfanden viele als lästigen Schmutzfänger und Geldfresser, die alten großen Türen als zugig, die Stuckdecken als unmodernes Spinnenparadies. Dann doch lieber alles glatt verputzt und gefliest, Resopal-Beschichtung statt Holzkassetten, Flokatiteppich statt Dielenboden, abgehängte Lattendecke statt Stuckrosette.
Eine Zukunft für die Vergangenheit
In den 1970ern wurde es dann vielen zu bunt. Sie wollten den Raubbau an unserer Baukultur nicht länger hinnehmen und protestierten – mit Erfolg. Der Denkmalschutz schob vielen architektonischen Barbareien den Riegel vor, und ja, nicht wenige überpragmatische Hausbesitzer besannen sich und entwickelten sogar wieder einen gewissen Stolz auf ihren teuren, aber doch irgendwie schönen Altbau. Doch, wie sich die Geschichte wiederholt…
Ausgerechnet in den Gärten hinter der Veste, die wie kaum ein anderer Stadtteil das Bild des Nürnberg der Jahrhundertwende bewahren, fiel 2012 ein altes Mietshaus dem neuerlichen Bauboom zum Oper. Errichtet hatte es der Bauunternehmer Konrad Eras im Jahr 1896. Die Straßenfronten des blockhaften Gebäudes veredelte er durch zweierlei Sorten Sandstein und Fenster mit reliefierten Rahmungen im Nürnberger Stil. Im Erdgeschoss gab es von Beginn an eine Gaststätte, die in den 1920er Jahren mitsamt dem Gebäude im Besitz der Brauerei Gebrüder Lederer war.
Einfach, aber oho!
Wie so viele Mietshäuser im Nürnberger Stil war die Schweppermannstraße 66 kein herausragendes Stück Architektur, auch nicht für ihre Zeit. Doch sie war typisch und deshalb wertvoll. Und: Das Gebäude mit seiner abgeschrägten Fassade bildete zusammen mit seinen im Grundriss ähnlich gestalteten Nachbarn – den Häusern Friedrichstraße 53, 55 und 62 – die Wände eines namenlosen, aber reizvollen Platzes an der Kreuzung von Schweppermann- und Friedrichstraße.
Diese kluge und malerische Planung, die Stadtheimatpflegerin Dr. Claudia Maué bei ihren Forschungen zu dem Haus entdeckt hat, ging auf das städtische Bauamt zurück, das 1896 die Baulinien entsprechend festgelegt hatte. Konrad Eras und das Architekturbüro Ochsenmayer & Wißmüller, machten daraus ein wunderbares Ensemble, in dem sich einfache Mietshauskultur und nobles Wohnen, lokalpatriotischer Nürnberger Stil und avantgardistischer Jugendstil, gegenüberstanden und ergänzten.
Damit war 2012 trotz aller Proteste Schluss. Der neue Eigentümer wollte das alte Haus durch einen Neubau ersetzen, eine Sanierung sei wegen der schlechten Bausubstanz nicht wirtschaftlich. Auch der Denkmalschutz konnte nichts ausrichten, denn die Schweppermannstraße 66 stand nicht auf der Denkmalliste, und das Ensemblegebiet wies ausgerechnet an seiner Stelle eine Lücke auf – die Listenbearbeiter von einst hatten seine Bedeutung für den kleinen Platz offenbar nicht erkannt.
Der Raubbau geht weiter
Die Besprechung des Neubaus im Baukunstbeirat aber wurde zum Spießrutenlauf. Weil der Neubau bei gleicher Firsthöhe ein zusätzliches Geschoss bekommen sollte, wurde die gesetzlich vorgeschriebene Mindesthöhe der Räume unterschritten. Und dann gab es noch eine schallende verbale Ohrfeige für den – durchaus nicht uninteressanten – Versuch, den Neubau in Anlehnung an die beiden Jugendstilhäuser gegenüber mit Erker und Giebel zu versehen. Am Ende blieben die Zutaten weg, das alte Haus musste trotzdem fallen. Immerhin: Die abgeschrägte Fassade des Neubaus berücksichtigt die städtebaulich intelligente Planung von einst.
Die Schweppermannstraße 66 blieb nicht das letzte Nürnberger Mietshaus der Jahrhundertwende, das dem jüngsten Bauhunger zum Opfer fiel. 2017 gruben sich die Bagger in das 1898 erbaute Haus Werderstraße 25. Auch hier: angeblich schlechte Bausubstanz, die wirtschaftlich nicht instandzusetzen gewesen wäre. Wie sich die Geschichte wiederholt…
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