Der Trödelmarkt: Einkaufsmeile in der Pegnitz
Aktualisiert am 19. Dezember 2016 von Sebastian Gulden
Urige Lädchen in idyllischer Umgebung – das liest sich wie einer jener berüchtigten „Geheimtipps“ aus dem Reiseführer. In Nürnberg gab es tatsächlich einen solchen Ort – den Trödelmarkt.
Gut, mit der Vergangenheitsform tue ich den Planern des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg ein wenig Unrecht. Doch die urwüchsige Atmosphäre und das malerische Nebeneinander kleiner und kleinster Geschäfte und der schmucken Markthalle kann der wiederaufgebaute Trödelmarkt von heute nicht mehr vorweisen. Mehr als ein halbes Jahrtausend Geschichte lässt sich eben nicht innerhalb weniger Jahrzehnte aus dem Nichts neu erschaffen.
Seit dem Mittelalter wurden auf dem langgezogenen, linsenförmigen Platz Schweine gehandelt und geschlachtet. Dass sich der Markt und seine Bauten auf einer Insel zwischen zwei Pegnitzarmen befinden, dürfte wegen des Lärms und Geruchs nur von Vorteil für die Nachbarn gewesen sein. Seit dem 18. Jahrhundert wandelte sich der „Säumarkt“ dann mehr und mehr zum Handelsplatz für Altwaren und allerlei Krimskrams. Die um 1810 offiziell eingeführte Bezeichnung „Trödelmarkt“ trug diesem Wandel Rechnung. Neben günstiger Kleidung waren hier zum Beispiel Schuhe, Haushaltswaren und Möbel zu bekommen.
An der Oberen (südlichen) Karlsbrücke errichtete Stadtbaurat Heinrich Wallraff 1896 bis 1897 an Stelle des früheren Schlachthauses (der so genannten „Kleinen Fleischbank“) eine neue Markthalle. Mit ihren Fronten im Nürnberger Stil und den hohen Schweifgiebeln dominierte sie den Trödelmarkt und das Stadtbild, das sich dem Passanten an der Pegnitz bot. Unser historisches Bild zeigt die Südwestflanke des Trödelmarkts; die Markthalle ragt im Hintergrund über der von der Oberen Karlsbrücke kommenden Straße auf. Die historische Aufnahme entstand vielleicht an einem Wintersonntag. Es ist hell, doch die Geschäfte sind geschlossen; eine dünne Schneedecke liegt auf Pflaster, Gesimsen und Dächern.
1945 ging der Trödelmarkt mitsamt seiner Markthalle unter. Die kleinen, oft in Fachwerkbauweise errichteten Häuser zu seinen Seiten und die angebauten Laden-Kabuffs müssen im Hagel der Bomben wie Zunder gebrannt haben. Fotografien aus der unmittelbaren Nachkriegszeit zeigen an Stelle der verwinkelten Ladenzeilen nur noch eine platte Erdscholle mit zerstreuten Trümmerteilen. Allein das Restaurant „Trödelstuben“ – ein Stahlskelettbau aus Fertigung der MAN von 1883 – überstand die Angriffe, wenn auch mit schweren Schäden. Das unter Denkmalschutz stehende Haus wurde vor kurzem mustergültig restauriert und seine Dachlandschaft instandgesetzt.
Mitte der 1950er Jahre ging man daran, die zerstörte Randbebauung des Trödelmarkts nach Generalplan von Josef Deschermeyer neu zu errichten. Dabei gab man sich sichtlich Mühe, die alten Strukturen in moderner Form wiederherzustellen. Die Hausgrundrisse sind wie einst recht schmal; verglaste Vorbauten enthalten wie anno dazumal die Läden. Kopfsteinpflaster und Laubbäume geben dem Platz eine urtümliche Note. Das Warenangebot ist vielfältig wie einst, die Waren gleichwohl deutlich gehobener: Neben Schmuck und Mode bieten die Geschäfte am Platze heute etwa Einrichtungsgegenstände und Kunst an.
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