Weit um die Welt – Das Interview zum Film
Veröffentlicht am 06. Mai 2017 von Valerija Levin
Gwen und Patrick aus Freiburg beschließen vor drei Jahren eine Weltreise zu machen und sich damit einen Traum zu erfüllen. Balkan, Iran, Indien, China, Japan, Mittelamerika und noch viele andere Orte warten auf sie. Nach ihrer Rückkehr erschaffen sie aus dem gesammelten Material einen einzigartigen Film. Am 07.05. werden Gwen und Patrick auf ihrer Tour auch in Nürnberg im Cinecitta sein, um ihren Dokumentarfilm „Weit. Ein Weg um die Welt“ zu präsentieren, der seit seiner Premiere viele tausend Zuschauer deutschlandweit ins Kino lockt. Wir hatten die Möglichkeit mit den beiden Filmemachern über ihre Reise und den Film zu sprechen.
"Liebe Gwen und Patrick, es ist toll, dass euer Film nun fertig ist und ihr damit auf Tour gehen konntet. Eine Geschichte, die auf jeden Fall sehenswert ist. Jung oder Alt spielt hier keine Rolle – es ist ein Film, der Zeit, Generationen und Menschen jeden Alters und jeder Herkunft verbinden könnte. Ihr habt das geschafft, wovon andere nur träumen: Eine richtige Weltreise. Mit allem, was man so gerade bei sich hat - dem Mut, der Freiheit, Spontanität und dem Moment. Was hat euch dazu getrieben, solch eine gewaltige Reise zu unternehmen? Und mit welchem Gefühl seid ihr die Reise angetreten?"
Patrick: „Das war keine rationale Entscheidung. Mehr ein Gefühl aus dem Bauch heraus. Die Neugier und Abenteuerlust ist mit jeder vorherigen Reise gewachsen. Wir wussten beide unabhängig voneinander, dass wir das irgendwann mal machen wollen: Losziehen ohne in der Messgröße „Zeit“ denken zu müssen. Ohne ein absehbares Ende. Dann haben wir uns kennengelernt und knapp ein Jahr später sind wir losgezogen.
Ich glaube so etwas kann man schwer erklären, man macht so etwas oder man macht es eben nicht. Wir wussten beide, wenn wir so eine Reise nicht machen, werden wir es ein Leben lang bereuen. Es gehört auch eine gesunde Portion Urvertrauen zu solch einer Reise dazu, denn man sieht auch das, was man nicht sehen will. Positiv zu sein, hilft dem Fremden zu vertrauen, und das wiederum ist eine Ausstrahlung, die Positives sucht und findet und zurückstrahlt. Die Welt ist nicht nur gut, aber sie hat viele gute Seiten und viele gute Menschen, die man findet, wenn man dafür offen ist.“
"Mittlerweile gibt es viele Menschen auf dieser Welt, die nicht nur von einer Weltreise träumen, sondern auch eine machen. Weil sie sowohl die Mittel dazu haben, als auch oft bestimmte Werte und Einstellungen damit verbinden und den Mut zu Veränderungen zeigen. Einige von ihnen begeben sich auf die Suche nach sich selbst. Einerseits herrschen viel Brutalität und Krieg um uns rum, andererseits war die Menschlichkeit und das Mensch-Sein noch nie so wichtig. Warum denkt ihr, wird dieser Traum für viele Menschen zu einem (Lebens-)Ziel? Ist das Reisen heutzutage wichtiger als es je war und wenn ja, warum? Und hat die Reise etwas in eurem Leben oder an euch selbst verändert?"
Gwen: „Reisen verändert. Es ist eine Konfrontation mit sich selbst. Die Welt im Vergleich zur eigenen Heimat. Ich habe in 3,5 Jahren, in denen wir nicht in unserer Heimat waren, mehr über mein Zuhause nachgedacht, als in meinem kompletten Leben davor. Man vergleicht automatisch mit dem Gewohnten zuhause und lernt damit aus der Ferne plötzlich besser verstehen, wie die Welt zu Hause tickt. Man hat eine neue Perspektive, die im Alltag daheim oft fehlt. Genauso ist es mit sich selbst. Man hat auf einer langen Reise viel mehr Zeit sich selbst zu sehen, zu entdecken und sich Neuem zu widmen.
Reisen ist unmittelbarer Kulturaustausch, baut Vorurteile ab. Man kann sich endlich selbst ein Bild machen und muss nicht auf Meinungen anderer vertrauen. Mein Lieblingsbeispiel hierfür ist Pakistan. Was wir über Pakistan vor der Reise wussten, hat sich leider auf einige wenige brutale Medieninformationen beschränkt. Die Menschen von dort hat uns der Fernseher zu Hause meist nur als Terroristen und Extremisten gezeigt. Von der ersten Minute in Pakistan haben wir gespürt, dass das ein völlig einseitiges Bild ist und Pakistan viel mehr zu bieten hat, als sein typisches Medien-Image. Gastfreundlich, höflich und sehr angenehm haben uns die vielen Menschen dort empfangen. Haben sich bedankt, dass wir vorbeigekommen sind. Haben es wertgeschätzt, dass wir das Vertrauen hatten, uns selbst ein Bild von ihrer Kultur und ihrem Alltag zu machen.“
Eine Weltreise ist eine lange Zeit. Besonders wenn man sich dazu entschließt, zu zweit zu reisen. Warum wolltet ihr sie zu zweit machen und wen habt ihr auf eurer Reise vermisst?
Patrick: „Gwen hatte sich eigentlich vorgenommen alleine loszuziehen. Ich habe schon lange mit dem Gedanken gespielt um die Welt zu reisen, wollte das aber nicht alleine machen. Dann haben wir uns kennengelernt und es war schon bald klar, dass wir zusammen losziehen. Gwen war erst noch skeptisch, wollte eigentlich doch alleine los, aber nach ein paar Monaten haben wir gemerkt, dass wir eine sehr ähnliche Vorstellung vom Reisen haben und dass es keine Freiheitseinschränkung für jeden einzelnen von uns wird, wenn wir zusammen losgehen werden. Es ist schön, sich auszutauschen, die Welt jeden Abend im Zelt zu reflektieren. Um zu verstehen was da heute wieder passiert ist. Alleine wäre das für mich schwieriger gewesen. Es ist schöner und nachhaltiger die Erinnerungen und Erlebnisse der Reise mit jemandem teilen zu können. Jemandem, der einen fast genauso gut kennt wie man sich selbst. Vermisst habe ich niemanden wirklich. Natürlich vermisst man gelegentlich Familie und Freunde, aber das war nicht Grund, die Reise in Frage zu stellen. Schließlich vertraut man ja darauf, alle irgendwann wieder zu Hause zu sehen.“
Ihr seid vielen Menschen und verschiedenen Kulturen begegnet. Wie habt ihr euch verständigt? Wie kam es dazu, dass ihr die 1-Tag-Videos gemacht habt? Und welche Schicksale haben euch bewegt?
Gwen: „ Die Portraits waren am Anfang eine Idee, um nicht nur von uns zu Erzählen. Um authentisch und unkommentiert von einem Alltag anderer zu Berichten. Und das war nicht nur ein Filmprojekt, sondern gleichzeitig ein toller und echter Einblick in fremde Kulturen. Wann hat man schon Mal die Möglichkeit jemandem 12 oder sogar 24 Stunden lang in einem fremden Land beim Alltag über die Schulter zu sehen?Gerade weil wir bei den Videoaufnahmen nicht eingegriffen oder inszeniert haben, nur beobachtend waren, haben wir völlig echt und authentisch sehen dürfen, wie sich ein Alltag in einem anderen Leben anfühlt. Und das ging manchmal auch ohne sich in einer gemeinsamen Sprache verständigen zu müssen. Da wurden Sprachbarrieren einfach weggelächelt.“
"In vielen Ländern, in denen ihr unterwegs gewesen seid, herrschen Armut und Not. Wie seid ihr diesen Problemen gegenüber getreten? Haben euch diese Umstände dazu gebracht, anders über diese Länder und Menschen zu denken? Mit eurem Projekt unterstützt ihr auch einzelne Schicksale. Könnt ihr mehr dazu erzählen?"
Gwen: „Was uns weltweit als Menschen verbindet ist, dass jeder einen Alltag hat. Dass jeder eine Heimat hat oder ein persönliches Gefühl dafür. Was uns unterscheidet ist, wie dieser Alltag im Speziellen aussieht. Da sind der Vielfalt im wahrsten Sinne keine Grenzen gesetzt. Das war einer der spannendsten Inhalte dieser Reise. Wir haben gesehen, wie ähnlich ein Gefühl für Heimat oder Alltag länderübergreifend sein kann und gleichzeitig haben wir gespürt, wie unterschiedlich es vor Ort aussehen kann. Für manche ist der Alltag ein täglicher Kampf um die Existenz, eine notwendige Aufgabe, um überhaupt das Überleben zu sichern. Für andere sind die Probleme des Alltags alles andere als existenziell, der Überfluss und eine Fülle an Möglichkeiten bringen ganz andere emotionale Hochs und Tiefs eines täglichen Lebens. Da kann man manchmal nicht glauben, dass das ein und dieselbe Welt ist. Wir wollen gerne die Möglichkeit nutzen, zumindest ein wenig die Unterschiede zum Lebensstandard auszugleichen. 2 € pro DVD / Bluray und Download aus dem Crowdfunding gehen an Menschen, denen wir auf der Reise begegnet sind und von denen wir wissen, dass es einen Unterschied in ihrem Alltag machen kann.“
"Gwen und Patrick, ihr seid die Reisenden in und die Erzähler von „WEIT. Die Geschichte von einem Weg um die Welt.“ Wer ward ihr vor eurer Reise und wer seid ihr jetzt? Erzählt etwas von euch, von eurem Leben und dem, was ihr so gemacht habt vor und nach der Reise!"
Patrick: „Vor der Reise war ich Kameramann, habe jedes Jahr versucht eine Tour irgendwohin zu machen. Wollte eigentlich immer unterwegs sein. Gwen ging es nicht anders, die hat ihr Abitur gemacht und ist davor und danach in gefühlt jeder freien Minute durch Europa getrampt. Jetzt, nach der Reise, sind wir auch mal ganz froh, nicht unterwegs zu sein und genießen es, wieder einmal länger bei unseren Familien und Freunden zu sein.“
"Nur einige Ausschnitte aus dem Film lassen es erahnen: ihr habt während der drei Jahre Nachwuchs bekommen? Was hatte es an der Reise verändert und was heißt es für euch, das Kind auf einer Reise zu bekommen?"
Gwen: „Es hat die Reise sehr verändert. Die ersten 2 Jahre sind wir fast konstant getrampt, waren nur für uns selbst verantwortlich, hatten eine unglaubliche Energie und Neugier allem Interessanten und Inspirierendem hinterherzugehen. Mit Bruno, oder auch schon während der Schwangerschaft, hat sich dann nicht mehr alles nur noch um uns beide gedreht. Wir waren zu dritt, hatten einen ganz anderen Komfortanspruch, haben unsere Energie für uns als kleine Familie gebraucht. Während die Reise vor Mexiko sehr nach “außen“ ging, waren wir ab Mittelamerika mehr nach “innen“ gekehrt, mehr mit uns als junge Familie beschäftigt, als mit Land und Leuten. Es war nicht mehr so wichtig, wo wir waren und was um uns für interessante Dinge passierten, wie noch in den ersten zwei Jahren zuvor. Wir hatten eigentlich auch den Plan nach Südamerika und eventuell noch nach Afrika zu gehen, die Pläne haben wir dann aufgegeben, weil uns bewusst wurde, dass es wunderbar funktioniert hat mit einem Kleinkind zu reisen, aber nicht mehr wichtig war viel zu entdecken. Ruhig und gemütlich sind wir dann ein Jahr durch Mittelamerika getuckert, bevor wir die Heimreise über den Atlantik angetreten sind.“
"In dem Prolog auf eurer Homepage ist diese Zeile zu finden: „Wir verlassen unser Zuhause, um zu lernen, was für andere Heimat bedeutet.“ Wart ihr vor eurer Reise auf der Suche nach EURER Heimat? Was bedeutet für euch der Begriff Heimat jetzt? Was war HEIMAT für die Menschen, die ihr auf eurer Reise getroffen habt?"
Patrick: „Gwen hat einmal gesagt…Heimat ist da wo hinter jeder Ecke eine Erinnerung lauert… Das trifft es eigentlich ganz gut. Heimat ist ein vertrauter Ort, der für einen selbst im Vergleich zu Welt drumherum „normal“ erscheint. Dieses Gefühl für „das Normale“ oder ich sage mal für das Gewohnte um einen herum, haben wir immer wieder beobachten können. Das kann auf 3500 Höhenmeter auf dem Pamir in Tadschikistan sein, in einem Bergdorf in Pakistan oder in Tokio. Jeder hat sich an seine Heimat gewöhnt, weil es eben der vertraute Alltag um einen herum ist, voller Erinnerungen an jeder Ecke. Das verbindet uns alle, die wir eine Heimat haben, auch wenn diese auf den ersten Blick ganz und gar verschieden erscheint. Wir haben diese Reise nicht gemacht, weil wir uns heimatlos fühlten, waren nie auf der Suche nach einem neuen Platz zum Leben und auch bei der Rückkehr emotional noch sehr mit unserem Zuhause verbunden.“
"Nach einer solch langen und anstrengenden Reise braucht man natürlich auch eine Verschnaufpause. Aber das Fernweh lässt nie lange auf sich warten! Wenn ihr in eurem Leben nur noch ein Mal an einen einzigen Ort reisen könntet, wohin würdet ihr gehen wollen und warum?"
Gwen: „Wir werden oft auch gefragt, was war der beste Ort? Oder wo wollt ihr am Liebsten wieder hin? Es ist schwer, eigentlich unmöglich Orte oder gar Länder miteinander zu vergleichen und am Ende eines auf den „Thron“ zu stellen. Es wäre vor allem auch nicht fair. Viel zu unterschiedlich sind die Kulturen, viel zu vielfältig unsere Erlebnisse und Gefühle, um sie gegeneinander abzuwägen. Manchmal gefällt uns ein Land besser, da wir uns davon weniger erhofft haben, manchmal ist auch entscheidend, wann man dort war. In Georgien, zum Beispiel, hatten wir einen unfassbar schönen Sommer. So ist es dadurch eines der Länder geworden, welches uns am besten in Erinnerung geblieben ist. Sicher werden wir auch wieder nach Mexiko reisen, denn es ist mit einem Heimatgefühl verbunden, mit ganz vielen besonderen persönlichen Erinnerungen.“